Mirage: Roman (German Edition)
sie als Schutzschild zu verwenden, und hielt ihr ein Messer an die Kehle. Die Frau wehrte sich. Ihr Schleier zerriss, und Mustafa blinzelte überrascht. »Fadwa?«, sagte er.
Kreischend stürzte sich der kleine Junge auf den Mann, der seine Mutter gepackt hatte. Er biss Hoffmann ins Bein. Der Griff des Mannes lockerte sich, und einen Augenblick lang hatte Mustafa ein freies Schussfeld. Seine Pistole flog scheinbar selbsttätig hoch; diesmal war sie geladen. Hoffmann legte den Kopf zur Seite und klappte den Mund auf, als hätte er etwas Schockierendes gehört. Er ließ sein Messer fallen und fiel rücklings in die Auslage.
Während die Frau ihren Sohn hochriss und davonrannte, zeigte Martin Hoffmann keinerlei Reaktion, sondern blutete lediglich wortlos auf den Haufen gemischter Datenträger, der zu seiner letzten Ruhestätte geworden war.
»Du musstest es tun, Mann.«
Mustafa und Samir standen auf dem Bürgersteig vor dem Geschäft. Drinnen standen ein paar Rettungssanitäter, nach einem sinnlosen Versuch, Hoffmann wiederzubeleben, zusammen mit den Polizisten und den Bundesagenten umdie Leiche herum. Als die Witzeleien begonnen hatten, war Mustafa nach draußen gegangen. Samir missdeutete seine Reaktion als Ausdruck von Bedauern. »Du musstest es tun. Er hätte der Frau die Kehle durchgeschnitten.«
»Ich weiß, Samir«, sagte Mustafa.
Die Frau saß hinten in einem Rettungswagen, ihren Sohn an die Brust gedrückt. Ihr Schleier war noch immer verrutscht. Mustafa betrachtete ihr Gesicht und fragte sich, was wohl über ihn gekommen war. Das war nicht Fadwa; sie sah ihr nicht einmal ähnlich.
»Hey«, sagte Samir. »Dieser kleine Junge hatte richtig was drauf, was?«
»Ja.« Mustafa zwang sich, vom Rettungswagen wegzusehen. Er winkte Amal zu, die sich mit dem Leiter des Bombenräumkommandos über den Inhalt von Peter Hoffmanns Rucksack unterhalten hatte. »Und?«
»Zwei Kilo handelsüblicher Plastiksprengstoff«, sagte sie, als sie zu ihnen gestoßen war. »Die Chargennummer wird überprüft. Es waren auch allerlei Geräte im Rucksack, und Werkzeug. Alles, was man braucht, um eine Zeitbombe zu bauen.«
Mustafa runzelte die Stirn. »Das Ganze war noch nicht zusammengebaut?«
»Nein«, sagte Amal. »Ich soll euch außerdem ausrichten, dass Plastiksprengstoff zwar ziemlich stabil ist, dass man aber besser nicht mit dem Auto darüberfahren sollte.«
»Danke, das geben wir so weiter«, sagte Mustafa. Sindbads Wagen hatte gerade vor der Polizeiabsperrung am Ende des Blocks gehalten. Das Auto war vorne ziemlich ramponiert – beide Scheinwerfer kaputt, Kühlergrill und Motorhaube eingedellt –, aber durch die geborstene Frontscheibe konnten sie sehen, dass Sindbad einen Beifahrer hatte. Einen lebendigen Beifahrer.
»Höre mich, oh Israel!«, rief Samir, als Sindbad Costello aus dem Fahrzeug zerrte. »Du bist der Hammer! «
»Er hat mich ganz schön spazieren geführt«, sagte Sindbad. »Habt ihr meinen Deutschen erwischt?«
»Wir haben ihn«, sagte Mustafa, damit Costello nicht erfuhr, dass Martin Hoffmann tot war. »Er ist drin.«
Sindbad las Mustafa die Wahrheit von den Augen ab. »Ah … gut.«
Der rechte Vorderreifen von Sindbads Wagen hatte was abbekommen und verlor allmählich Luft. »Also dann, David«, sagte Mustafa. »Dürfen wir dich zum Flughafen chauffieren?«
Miranda-Warnung
----
Die sogenannte Miranda-Warnung ist der Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht , der in den Vereinigten Arabischen Staaten jedem in Polizeigewahrsam genommenen Verdächtigen verlesen werden muss, bevor er einer Vernehmung unterzogen werden darf, deren Ziel es ist, dem Verdächtigen ihn potenziell belastende Informationen zu entlocken. Selbstbelastende Aussagen, die von einem nicht ordnungsgemäß »mirandisierten« Verdächtigen gemacht werden, sind nicht gerichtsverwertbar.
Der genaue Wortlaut der Miranda-Warnung variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat, aber die von der irakischen Polizei verwendete Formulierung kann als typisch gewertet werden: »Durch die Gnade Gottes, des Allbarmherzigen, des Erbarmers, haben Sie das Recht zu schweigen . Wenn Sie auf Ihr Recht zu schweigen verzichten, kann und wird alles, was Sie sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden, wo, so Gott will, Recht gesprochen werden wird. Durch die Gnade Gottes, des Allbarmherzigen, des Erbarmers, haben Sie Anspruch auf einen Rechtsbeistand . Wenn Sie sich keinen Rechtsanwalt leisten können, wird das Gericht Ihnen einen stellen. Verstehen Sie
Weitere Kostenlose Bücher