Mirage: Roman (German Edition)
Freunde von der Bagdader Polizei bitten, Abstand zu halten und die Sirenen ausgeschaltet zu lassen. Jeder, der ein unmarkiertes Auto fährt, ist bei der Verfolgung herzlich willkommen. Und könnte ich einen Helikopter haben für den Fall, dass wir ihn verlieren?«
Costello schien nicht gemerkt zu haben, dass er verfolgt wurde, aber er war ein von Natur aus ungeduldiger und risikofreudiger Fahrer, und Sindbad, dessen Wagen nicht durch dieselben engen Lücken schlüpfen konnte wie das Motorrad, hatte es alles andere als leicht, sich nicht abhängen zu lassen. Die Brücke, wo aus den sechs Fahrspuren vier wurden, erwies sich als eine besondere Herausforderung, doch Sindbad schaffte es mittels einiger selbstmörderischer Manöver, Costello nicht aus den Augen zu verlieren.
Sie erreichten die schmale Insel im Tigris dort, wo der Fluss mit einem scharfen Knick südwärts aus der Stadt floss. Der Haupt-Campus der Universität Bagdad nahm den westlichen Zipfel der Insel ein, und Costello hielt darauf zu. »Abdallah«, sprach Mustafa ins Funkgerät, »kannst du die Campus-Sicherheit ans Telefon bekommen und sie bitten, sich bereitzuhalten?«
»Warte mal«, sagte Samir. »Er fährt rechts ran.«
Dann standen sie vor einem Einkaufszentrum nahe dem östlichen Rand des Campus. Costello parkte sein Motorrad vor einem Café daneben. Zwei blonde Männer, die an einem Tisch auf dem Bürgersteig saßen, standen auf, um ihn zu begrüßen.
»Schau mal einer an, die ganze Bande!« Samir klopfte Sindbad auf die Schulter. »Kumpel, du bist ein echter Glücksbringer!« Doch Sindbad war weniger begeistert. Als Costello sich zu den Hoffmann-Brüdern setzte, zeigte Sindbad auf einen grünen Rucksack, der neben Peter Hoffmanns Stuhl unter dem Tisch stand. »Was meint ihr wohl, was in dem Ding da drin ist?«
Mustafa sagte: »Wir haben den ganzen gestohlenen Sprengstoff wiedergefunden.«
Sindbad dachte einen Augenblick lang nach, dann beugte er sich vor und drückte auf einen Knopf am Armaturenbrett. Eine Warnleuchte ging an: AIRBAGS DEAKTIVIERT.
»David?«, sagte Mustafa.
»Schnallt euch ab und haltet euch fest. Sobald es knallt, springt ihr aus dem Wagen.«
Er fuhr los, bevor Mustafa eine Diskussion anfangen konnte. Als der Wagen fast auf Höhe des Cafés war, riss Sindbad das Lenkrad rechts herum und stemmte sich auf die Hupe. Als der Wagen auf den Bürgersteig rumpelte, sprangen Costello und Martin Hoffmann auf und tauchten seitlich weg. Peter Hoffmann dagegen bückte sich und griff nach dem Rucksack. Sindbad trat aufs Gas und rammte den Tisch mit erheblich mehr Wucht, als er beabsichtigt hatte; der Wagen rasierte die vordere Ecke des Cafés ab und kam schleudernd zum Stehen.
Obwohl er sich auf den Zusammenstoß gefasst gemacht hatte, wurde Mustafa gegen das Armaturenbrett geschleudert. Als er aus dem Wagen stolperte, war Costello schon wieder auf sein Motorrad gesprungen, und Martin Hoffmann floh zu Fuß. Peter Hoffmann war verschwunden – glaubte Mustafa jedenfalls, bis er nach unten schaute und unter Sindbads Auto eine Hand hervorragen sah.
»Schnappt euch Hoffmann!«, brüllte Sindbad. »Ich hol mir den Amerikaner!« Er setzte auf die Fahrbahn zurück und donnerte dem Motorrad hinterher.
Martin Hoffmann war zu einem Auto gerannt, das auf der anderen Straßenseite parkte. Er stand daneben und klopfte sich die Taschen nach den Schlüsseln ab, dann schaute er hilflos zurück zum Café. Er sah Mustafa angerannt kommen und flitzte in den Musik-Megamarkt an der Ecke.
Mustafa kam einen Augenblick später mit gezogener Pistole hineingerannt. Ein paar dunkelhaarige Studenten schlenderten zwischen den Illustrierten- und Comicregalen im vorderen Teil des Ladens umher, aber von Hoffmannwar nichts zu sehen. Auf der Suche nach dem Deutschen fiel Mustafas Blick auf eine Auslage von knallgelben Sachbüchern zu den unterschiedlichsten Themen: ›Algebra für Dummies‹; ›Desktoppublishing für Dummies‹; ›Die Jesidische Kultur für Dummies‹; und in einem gesonderten Stapel der, jetzt stark preisreduzierte, Post-9.11.-Erfolgstitel ›Das Christentum für Dummies‹.
Samir kam herein, dicht gefolgt von Amal, Hamdan und mehreren weiteren Beamten. Sie schwärmten aus und begannen, das Geschäft systematisch zu durchkämmen.
Eine Frau in Abaya und Schleier kam, einen kleinen Jungen hinter sich herziehend, aus der DVD-Abteilung. Martin Hoffmann schoss aus seinem Versteck hervor. Er stieß den Jungen beiseite, riss die Frau an sich, um
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