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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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Costello?
    Liegt es daran, dass Sie Amerikaner sind? Es stimmt, Ihr Land hat unter dem Krieg gegen den Terror zu leiden gehabt, aber Sie waren noch jung, als Sie Ihre Heimat verließen, und nichts in Ihrer Akte lässt auf einen nationalistischen Zug bei Ihnen schließen.
    Liegt es daran, dass Sie Christ sind? Das ist eine verlockende Vermutung, aber selbst wenn ich es nicht besser wüsste, kann ich immer noch zählen. Es gibt fast zwei Milliarden Christen auf der Welt, und wenn sie alle von Natur aus böse wären, sähe es wirklich ziemlich übel aus.
    Also woran liegt es, Dr. Costello? Was hat Ihr Herz gegen uns verhärtet? Arabien hat Sie mit offenen Armen empfangen, es hat Ihnen eine Ausbildung und einen Beruf geschenkt, einen Platz in einer zivilisierten Gesellschaft. Gab es noch etwas, irgendeine elementare Gefälligkeit, die wir Ihnen versagt haben? Haben wir Sie auf irgendeine Weise beleidigt? Warum hassen Sie uns?«
    Mustafa hielt inne, um Costello die Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben – vielleicht um Mustafas Darstellung der Großzügigkeit Arabiens zu widersprechen. Doch Costello zeigte kein Interesse daran, sich über seine Erlebnisse als Einwanderer zu beklagen. Er saß in sich zusammengesackt auf seinem Stuhl und starrte schweigend auf den Tisch, das Inbild müder Resignation.
    »Vielleicht sollte ich nicht warum , sondern wann fragen«, fuhr Mustafa fort. »In Ihrem Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung haben Sie als Ihre Religion und die Ihrer Eltern den Episkopalismus angegeben. Ich gestehe, ich musste dasin der Bibliothek von Alexandria nachschlagen. Laut BvA handelt es sich dabei um ›eine Provinz der anglikanischen Kirchengemeinschaft‹. Ist das die Antwort auf das Rätsel, Dr. Costello? Hat die Church of England Sie während Ihres Aufenthalts in London in ihre Krallen bekommen? Hat der Erzbischof von Canterbury Sie in einer seiner Pfarrschulen einer Gehirnwäsche unterzogen? Sie wissen ja, dass der britische Premierminister gedroht hat, sollten wir oder unsere Verbündeten das Atomwaffenprogramm Englands zu behindern versuchen, eine Welle der Zerstörung gegen die muslimische Welt loszulassen. Er behauptet, überall in Arabien und Persien ›Schläfer‹ stationiert zu haben. Sind Sie einer von ihnen, Dr. Costello?«
    Auf Costellos Lippen erschien ein dünnes, verächtliches Lächeln, und er schnaubte leise. »Was, Sie finden das komisch?«, sagte Mustafa. »Ich versichere Ihnen, meine Vorgesetzten hätten keinerlei Probleme damit, etwas Derartiges zu glauben … Aber nein, ich glaube nicht, dass England die Antwort ist. Ich habe eine andere Theorie. Ich glaube, die Vergiftung Ihrer Seele fand in weit jüngerer Vergangenheit statt. Ich glaube, sie hatte weniger mit Glaube oder Politik zu tun als mit einer Frau. Sagen Sie mir, dass ich unrecht habe. Sagen Sie mir, dass es dabei nicht um Ihre Verlobte geht.«
    Costellos Lächeln verschwand. Dafür sah er jetzt Mustafa an.
    »Jessica Lamar, aus Texas«, sagte Mustafa, den Blickkontakt erwidernd. »Sie arbeitete zu der Zeit, als Sie in Jaffa Ihren Facharzt machten, dort als Reha-Spezialistin. Haben Sie sich so kennengelernt, beruflich? Hatten Sie einen gemeinsamen Patienten? Oder haben Sie sich in der Kirche kennengelernt? Sie gehörte der evangelisch-methodistischen Sekte an, die meines Wissens ein weiterer Ableger der anglikanischen Kirche ist, was also bedeuten würde, dass Sie gemeinsam den Gottesdienst besuchen konnten, richtig?«Costello gab keine Antwort, und nach einem Moment fuhr Mustafa fort: »Sie haben im Frühjahr 2005 eine Heiratserlaubnis beantragt. Mittlerweile hatten Sie die Stelle am Karkh bekommen, also war Ihr Plan vermutlich, im Sommer zu heiraten und nach Bagdad zu ziehen, um im Herbst Ihre Arbeit zu beginnen. Aber Anfang Juni bekamen Sie einen Anruf von der Polizei.
    Sie hatte Hausbesuche in Gaza-Stadt gemacht. Gaza … nicht gerade der schönste Teil von Palästina. Aber weil die Menschen dort so arm sind, gehen viele von ihnen zur Armee in der Hoffnung, dort ein besseres Leben zu finden – und dank dem Krieg gibt es jetzt jede Menge verwundete Veteranen, die Pflege brauchen. Ihre Verlobte war also auf einem Samaritergang, um Soldaten zu helfen, die während der Invasion Ihres Heimatlandes verwundet worden waren … und ihr Lohn bestand darin, von ein paar Kleinganoven grundlos niedergeschossen zu werden.«
    In Costellos Wange begann ein Muskel zu zucken.
    »Laut der Polizei von Gaza«, fuhr Mustafa fort, »waren die

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