Mirage: Roman (German Edition)
wenig bekannt ist, ob sie und Saddam gemeinsame Kinder haben.
Saddams älterer Sohn, Udai, wurde 1988 festgenommen, nachdem er dem Türsteher einer Bagdader Diskothek mit der Pistole ins Gesicht geschlagen hatte. Er ist seitdem noch etliche Male mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wobei es ihm, anders als seinem Vater, nicht immer gelungen ist, einer Haftstrafe zu entgehen. Zuletzt musste er wegen Misshandlung eines Fotomodells, mit dem er ausgegangen war, drei Monate in Abu Ghraib absitzen.
Die Höhe von Saddams Privatvermögen ist nicht bekannt, aber er und seine Familie besitzen zahlreiche Immobilien, darunter wenigstens sieben Häuser in Bagdad. Abgesehen von dem Gehalt, das er als Baath-Vorsitzender bezieht, und den Tantiemen seiner Romane, ist seine primäre deklarierte Einkommensquelle ein, wie er es bezeichnet, »kleines Import-/Exportunternehmen«, das er »nebenbei betreibt«.
W ährend er zur Arbeit fuhr, hörte Mustafa in den Nachrichten, dass zu Saddam Husseins Freispruch-Fete, die er auf seinem Anwesen am Fluss in al-Azamiyya veranstaltet hatte, auch ein nicht genehmigtes Feuerwerk gehört hatte. Das mitternächtliche Trommelfeuer von Leuchtkugeln hatte die Nachbarn aufgeweckt und eine Reihe von Notrufen ausgelöst. Saddam hatte bereits eine öffentliche Entschuldigung verlautbaren lassen und versprochen, wegen der Ruhestörung eine freiwillige Geldbuße zu zahlen.
Im Hauptquartier hatte Samir mehr Details über die »Ruhestörung« zu bieten. Nachdem die Feuerwerkskörper ausgegangen waren, hatten Saddam und einige seiner Gäste Jagdbüchsen hervorgeholt. »Anfangs war es das übliche Geballere«, sagte Samir. »Aber irgendwann hatte Udai einen zu viel intus und beschloss, auf die Boote auf dem Fluss zu schießen. Ein Schlepperführer liegt mit einem zerschossenen Oberschenkelknochen im Krankenhaus.«
Amal saß in der Nähe und ging einen Karton voll Aktenmappen mit der Aufschrift STRENG GEHEIM durch. »Jetzt mal ein verrückter Einfall«, sagte sie. »Besteht irgendwie die Möglichkeit, Saddam eine Anklage wegen Terrorismus anzuhängen? Ihn und seine ganze Mischpoke zu Staatsfeinden zu erklären und zur Chwaka-Bucht abtransportieren zu lassen?«
»Glaub mir, man hat schon darüber diskutiert«, sagte Mustafa. »Das Problem ist, dass Saddam die falsche Sorte Terrorist ist.«
»Was würde es erfordern, ihn zur richtigen Sorte zu machen?«
Samir lachte. »Zuallererst müssten wir ihn zum Christentum bekehren …«
»Apropos Christen«, sagte Mustafa, »sind das die Fata-Morgana-Akten aus Riad?«
»›Akten‹ ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt. Amal hielt eine Mappe hoch, die sie gerade durchsah. Abgesehen von der Seitenzahl war alles eingeschwärzt worden.
»Idris hat uns gewarnt, dass es gewisse ›redaktionelle Änderungen‹ geben würde«, sagte Mustafa.
»Und die sind alle so?«
»Die meisten, die ich mir bislang angesehen habe. Bei einigen fehlen die Seiten gleich ganz.«
»Also schön«, sagte Mustafa. »Wenn Idris und Senator Bin Laden unbedingt auf stur schalten wollen, dann müssen wir einfach nach Riad mit einer Bestätigung des Präsidenten, dass wir Zugriff auf die Original-Akten haben.«
»Und beten, dass wir nicht wie Costello enden«, fügte Samir hinzu.
Gabriel Costello war in den Hochsicherheitstrakt von Abu Ghraib verlegt worden. Weniger als einen Tag nach seiner Ankunft – und bevor Mustafa ein zweites Verhör durchführen konnte – war er in seiner Zelle aufgefunden worden, seine Gefängniskluft um den Hals geschlungen und an den Bettrahmen geknotet. Die offizielle Todesursache war Suizid durch Selbststrangulation, allerdings hatte die Autopsie ungeklärte Blutergüsse an Handgelenken und Fußknöcheln ergeben.
»Wir brauchen, glaube ich, nicht zu befürchten, dass al-Qaida uns ermorden lässt«, sagte Mustafa. »Jedenfalls noch nicht.«
»Und wieso nicht?«
»Weil wir, anders als Costello, zu ersetzen sind. Wenn wir sterben, wird der Präsident einfach andere Beamte beauftragen, die Ermittlungen fortzusetzen – und er wird wissen, dass wirklich etwas faul an der Sache ist. Ich bezweifle, dass derSenator das riskieren will. Also wird er es mit Behinderung, Drohungen, vielleicht Bestechung und Erpressung versuchen. Aber solange wir nicht etwas wirklich Niederschmetterndes aufdecken, wird er keine Mörder losschicken.«
»Eine echt tröstliche Logik«, sagte Amal lachend.
»Aber vergiss Idris nicht«, sagte Samir. »Was, wenn er beschließt, das zu seiner
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