Mirage: Roman (German Edition)
Kragen heraus und fing an, auf, ihn einzuboxen.
»Hey!«, schrie Habib und hob die Arme, um die Schläge abzuwehren. »Hör auf damit! Ich will nur reden! Hey! Hey! «
Samir stieß ihn zurück und zog seine Pistole. »Was zum Teufel treibst du hier?«, fragte er. »Die ganze Halal sucht nach dir!«
»Ich weiß, ich habe deine Nachricht gekriegt …« Mit einem argwöhnischen Blick auf die Pistole: »Und nicht nur die Halal. Saddam weiß, dass ihr die Liste des Buchhalters habt, und er veranstaltet ein Großreinemachen. Jedem Beteiligten, der nicht schon in Haft ist, blüht ein böser Unfall. Ohne deine Warnung hätten die mich auch schon erwischt.«
»Warum bist du hier, Habib?«
»Um dir dafür zu danken, dass du meinen Arsch gerettet hast.«
»Mir zu danken! Bildest du dir ein, ich hätte es deinetwegen getan?«
»Nein, ich sehe schon, dass es zu viel war, das zu hoffen«, sagte Habib mit einer Spur Bitterkeit. »Aber wenn du es getan hast, um dich selbst zu schützen, bist du ein Idiot. Na los, bedroh mich, es ist trotzdem wahr! Was hast du befürchtet: dass ich dich als Teil irgendeines Handels bei der Staatsanwaltschaft als Schwuchtel anschwärzen würde? Wie paranoid muss man eigentlich sein, um zu glauben, dass die das auch nur im Mindesten interessieren würde?«
Samir zuckte die Achseln. »Wer weiß schon, was du probieren würdest, wenn du ausreichend verzweifelt bist? Ein Typ, der sich mit Saddam einlässt …«
»Ja, und wenn ich dich hintergehen wollte, dann würde ich dich genau bei ihm verraten. Die Halal würde dich dafür, dass du schwul bist, rauswerfen. Na toll. Aber Saddam? Wenn er es wüsste? Der würde dich zwangsrekrutieren, genauso wie er es mit mir gemacht hat. Ja, stimmt, du Schlaumeier«, sagte Habib nickend. » Deswegen habe ich es getan!«
Samir trat einen Schritt zurück. »Wann?«, sagte er.
»Vor ein paar Monaten. Direkt nachdem du mit mir Schluss gemacht hast, um genau zu sein.« Er sah weg. »Ich habe mich vom falschen Kerl abschleppen lassen. Die haben Fotos gemacht. Sie sagten, sie würden es meinen Eltern erzählen, wenn ich nicht mitspielte.«
»Aber die Liste des Buchhalters … Die bezahlen dich!«
»Natürlich bezahlen sie mich! Sie bezahlen jeden – und sobald man das Geld annimmt, haben sie auch das gegen einen in der Hand. Ich will dir was sagen, ich bin eigentlich froh, dass das passiert ist. Ich hatte sowieso daran gedacht abzuhauen. Natürlich hatte ich gehofft, ein bisschen mehr Knete ansparen zu können, bevor es so weit ist.«
»Wozu bist du also zu mir gekommen? Willst du Geld?«
»Nein«, sagte Habib, und wieder war Bitterkeit in seiner Stimme. Dann sagte er: »Nicht schießen«, und zog einenblauen Umschlag mit dem Aufdruck POSEIDON-LINIE aus seinem Jackett. Darin befanden sich zwei Fahrscheine für die Fähre Haifa-Piräus, die er Samir jetzt in die Hand drückte.
»Was ist das?«, sagte Samir.
»Eine Einladung.«
»Eine …«
»Ich habe noch immer was für dich übrig, Samir«, sagte Habib. »Ich weiß, es ist eher hoffnungslos, aber es wäre hübsch, mit jemandem abzuhauen, den ich mag, ich dachte, vielleicht hast du mich nicht nur um deinetwillen gewarnt …«
»Hast du nicht alle Tassen im Schrank?«, sagte Samir. »Hast du auch nur einen Augenblick lang ernsthaft geglaubt, ich würde mein ganzes Leben wegwerfen, um …«
»Wir könnten in Griechenland ein neues Leben anfangen. Ein besseres, in mancherlei Hinsicht. Diskret müsste man immer noch sein, aber man würde nicht so gejagt werden wie hier. Wie ich gehört habe, ist es in Paris auch so, aber ich mag das Meer …«
»Also, ich nicht.« Samir warf ihm die Fahrscheine zurück. Habib fing einen auf, ließ den anderen aber auf den Boden fallen. »Fahr du nur nach Griechenland oder Paris, oder wohin auch sonst, solange es nicht hier ist«, sagte Samir. »Ich bleibe hier in Bagdad und heirate.«
»Ja, ich weiß, du hast mir davon erzählt«, sagte Habib. »Du wirst eine Frau und Kinder haben, und nach Kindern bist du ganz verrückt, und du wirst glücklich sein bis an dein Lebensende. Das mit den Kindern glaube ich dir beinah. Aber die Frau? Das Glück? Das wird, glaube ich, nicht lange halten.«
»Das wird länger halten als du, wenn du dich nicht schleunigst vom Acker machst!«
»Also gut, gut, ich gehe«, sagte Habib. »Aber wenn du noch vor Samstag deine Meinung ändern solltest, sehen wir uns auf der Fähre.«
Er stieg in sein Auto, und eine Minute später war er verschwunden.
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