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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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entwickelt hatte, kam er, wie sich zeigte, bei einer bestimmten Sorte Mädchen gut an. An der Uni kultivierte Samir dann seinen Ruf als Frauentyp. Dabei übertrieb er grundsätzlich die Anzahl seiner Eroberungen, wobei er zuweilen den Ruf der betreffenden Frauen in Gefahr brachte. Das bereitete ihm zwar ein schlechtes Gewissen, aber er hatte eine verzweifelte Angst und war zu allem entschlossen, um zu verbergen, was er war – anfangs vor sich selbst, später dann, alses unmöglich wurde, sich selbst noch etwas vorzumachen, vor seinen Freunden und Angehörigen.
    Eine Zeitlang führte er ein Doppelleben, in zwei verschiedenen Welten. Er wusste, dass er nicht ewig den Frauenhelden spielen konnte: Als ein Mann des Festlands, nicht der See, würde er irgendwann einmal heiraten müssen. Die Aussicht war nicht gänzlich unerfreulich. Er mochte Kinder, und er glaubte durchaus, dass er einen guten Vater abgeben würde. Was die Ehemann-Seite der Sache anbelangte – tja, die Filme und Seifenopern, aus denen er seine diesbezüglichen Weisheiten bezog, legten durchweg die Vermutung nahe, dass eine gute Frau wahre Verwandlungswunder wirken konnte. Samir bezweifelte, dass selbst eine umwerfende Frau ihn zu einem echten Hetero machen könnte, aber er hoffte, dass sie es zumindest schaffen würde, seine Lust auf Männer zu dämpfen.
    In seinem letzten Jahr auf der Uni verlobte er sich mit einer Kommilitonin, einer Chemiestudentin namens Sabira. Statt ihn auf magische Weise von seinem Laster zu kurieren, machte die Beziehung die Sache nur noch schlimmer: Als das Hochzeitsdatum näherrückte, begann Samir, sich wie ein Vielfraß aufzuführen, der seine letzte Runde durch ein Alles-was-du-schaffst-Büfett zieht. Als Sabira ihn mit der Tatsache konfrontierte, dass er abends nie zu Haus war, wenn sie ihn anrief, log er sie an und »beichtete«, er habe sich mit anderen Frauen getroffen. Er flehte sie um eine zweite Chance an, war aber dabei so wenig überzeugend, dass sie mit ihm Schluss machte.
    Ein paar Jahre später versuchte er es noch einmal mit Asriya, einer Telefonistin bei der Halal. Wenn auch vielleicht nicht so intelligent wie Sabira, war Asriya erheblich scharfsichtiger und erriet die Beschaffenheit von Samirs Seitensprüngen. Sie hätte ihn vernichten können, entschied sich aber dafür, Gnade walten zu lassen, und bestätigte seine offizielle Begründung ihrer Trennung.
    Nach zwei schiefgegangenen Verlobungen hatte Samir einen neuen Ruf – einen, der es ihm viel einfacher machte, unverheiratet zu bleiben, ohne Argwohn zu erwecken. Manchmal erbarmten sich Freunde und Verwandte seiner und versuchten, ihn mit Frauen zu verkuppeln, die es sich aus verschiedenen Gründen nicht leisten konnten, wählerisch zu sein, aber durch seine wohleinstudierte Unausstehlichkeit schaffte Samir es, sich selbst die vom Hals zu halten.
    Najat lernte er etwa um dieselbe Zeit kennen, als Mustafa Nur kennenlernte. Sie war eine neue Mieterin in seinem Haus, und näher kamen sie sich, nachdem er ihr geholfen hatte, ein paar Kartons in ihre Wohnung hinaufzutragen. Najat war eine Golfkriegswitwe; ihr Mann war in den Randbezirken von New Orleans durch Eigenbeschuss umgekommen. Seit seinem Tod war sie allein gewesen, spielte aber inzwischen mit dem Gedanken, sich wieder zu verheiraten. Die Art, wie sie das sagte – »Ich spiele mit dem Gedanken, mich wieder zu verheiraten« –, so als zöge sie einen Geschäftsabschluss oder einen Berufswechsel in Betracht, weckte Samirs Interesse. Ehe als eine formelle Vereinbarung statt einem romantischen Abenteuer: Das hätte seinen Bedürfnissen entgegenkommen können. Doch er war nicht in der Lage, guten Gewissens Verhandlungen aufzunehmen, und Najat zeigte Anflüge der gleichen Klarsichtigkeit, die Asriya gehabt hatte, also verfolgte er die Sache nicht weiter.
    Zwei Dinge ließen ihn schließlich umdenken. Das Erste war ein Urlaubsbesuch bei seiner Schwester Johara. Johara und ihr Mann hatten gerade einen kleinen Jungen bekommen – ihren dritten –, und das Baby in den Armen zu halten weckte Samirs väterliche Sehnsüchte. Als Joharas Mann seinen Gesichtsausdruck sah, sagte er: »Du solltest wirklich heiraten, Samir. Du könntest auch ein Papa sein.«
    Der andere Faktor war Mustafas Ankündigung, dass erNur heiraten würde. Das war eine verrückte Entscheidung, wie selbst Mustafa zu erkennen schien, und noch verrückter war es, dass Samir sich durch sie in seinem Verhalten beeinflussen lassen sollte. Aber in

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