Mirage: Roman (German Edition)
neuen Ehegesetzes steht in Kürze an. Und jetzt, aus heiterem Himmel, beschließt dieser Mann, mit dem du vor einem halben Leben eine sigheh hattest, den Kontakt wiederaufzunehmen und dich um einen Gefallen zu bitten?«
»Du irrst dich«, sagte Amal. »Die Koinzidenz muss purer Zufall sein.«
»In der Politik gibt es keine Zufälle. Das kannst du mir glauben.«
»Du hast ihn nicht gesehen. Wie er über Salim gesprochen hat …«
»Oh, ich bin sicher, das war ehrlich gemeint. Es ist durchaus möglich, dass ihm gar nicht klar ist, dass er benutzt wird, weißt du. Könnte sein, dass irgendein Freund in Riad, jemand, dem er vertraut, ihm vorgeschlagen hat, sich an dich zu wenden.«
Irgendein Freund in Riad …
»Bin Laden«, sagte Amal.
»Was?«
»Osama bin Laden … Meinst du, dass Anwars Vater ihn kennt?«
»Ich weiß nicht«, sagte ihre Mutter. »Möglich. Du glaubst, Senator bin Laden könnte hinter dieser Sache stecken?«
»Falls ja«, sagte Amal, »bist du nicht diejenige, auf die sie aus sind.«
»Ich würde es begrüßen, wenn du mir diese Behauptung erläutern würdest.«
»Es ist wahrscheinlich besser, wenn ich das nicht tue«, erklärte Amal. »Also, was ist mit Salim?«
»Tut mir leid, ich kann nichts für ihn tun. Wenn der ›Herold‹ eine Enthüllungsgeschichte über die Zeitehe meiner Tochter veröffentlicht, ist es peinlich, aber letztlich harmlos. Aber wenn er eine Story darüber bringt, wie ich meinen Einfluss benutzt habe, um den Sohn meiner Tochter aus Amerika herauszuholen, während andere Söhne – geliebte Söhne – noch immer dort kämpfen und sterben …«
»Der ›Herold‹.« Amal zog eine Grimasse. »Tariq Aziz kannst du ja wohl spielend in die Tasche stecken. Hast du doch schon immer getan.«
»Weißt du, wenn du versuchst, mir Honig ums Maul zu schmieren, fürchte ich das Schlimmste … Tariq Aziz ist eine Sache, Osama bin Laden eine andere. In was hast du dich eigentlich reinmanövriert, Amal?«
»Ich weiß es ehrlich gesagt selbst noch nicht«, sagte Amal. »Aber würdest du das bitte für mich tun? Was immer für eine Gefälligkeit du einfordern wolltest, um mir die öffentliche Belobigung zu verschaffen – benutz sie stattdessen für Salim.«
Ihre Mutter schüttelte noch einmal den Kopf. »Du kennst den Jungen doch nicht einmal, Amal.«
»Ich weiß. Aber ich brauche ihn nicht zu kennen, um mit ihm Erbarmen zu haben. In dem Punkt hatte Anwar recht.«
Man nannte es »Saddams Republik«: ein Flickwerk von Anwesen und Gewerbeimmobilien, die insgesamt eine Verbrechernation bildeten, ein eigenes Land innerhalb der VAS. Der größte Teil davon lag im Irak, aber es gab verstreute Exklaven in ganz Arabien – Villen in Alexandria und Tunis, ein Hotel in Abu Dhabi, eine Spielhölle in Casablanca, Rattenkeller überall.
Die Hauptstadt der Republik war natürlich Bagdad, wo Saddam in praktisch jedem Stadt-Distrikt – mit der bemerkenswerten Ausnahme von Sadr-Stadt – Häuser besaß. Zuder Zeit, als Mustafa und Samir noch bei der Halal-Truppe arbeiteten, hatte Saddam abwechselnd in seinem an den Flughafen Bagdad angrenzenden Anwesen am al-Mansur-See und in seinem Stadthaus in Karkh gewohnt, das viele Bagdader als eine Art Schattenrathaus betrachteten.
Nach dem 9.11. hatten verstärkte Sicherheitsvorkehrungen rings um den Flughafen das al-Mansur-Anwesen weniger attraktiv gemacht – die Verkehrssicherheitsbehörde hatte wirklich nichts für Leute übrig, die mit Gewehren in die Luft ballerten. Dann, 2003 , fiel das Stadthaus in Karkh einem ungeklärten Brand zum Opfer; die Spannbreite der vermuteten Ursachen reichte von fehlerhafter Verkabelung bis hin zu Udai. Saddam hatte seither versucht, das Haus wiederaufzubauen, aber das Bagdader Stadtbauamt schob auf Anweisung einer gewissen Exbürgermeisterin und jetzigen Senatorin die notwendigen Genehmigungen immer weiter auf die lange Bank, und in der Zwischenzeit waren Hausbesetzer in das Anwesen eingedrungen und hatten es in einen Obdachlosenpalast verwandelt.
Während Saddams Anwälte versuchten, dem Amtsschimmel ein Bein zu stellen, hatte Saddam selbst das Hauptquartier seiner Republik auf seinen Besitz in al-Azamiyya verlegt. Das Anwesen umfasste drei Hektar besten Landes am Flussufer und hatte eine eigene Anlegestelle sowie einen Hubschrauberlandeplatz. Auf ihm patrouillierte Tag und Nacht eine uniformierte Sicherheitstruppe, die landläufig als die Republikanische Garde bekannt war.
Nachdem sie durch die Stadt gerast
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