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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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waren, parkten Mustafa und Samir jetzt am Ende der Straße, die zum Haupttor des Anwesens führte. Das Paket, das sie abzufangen hofften, war mit Standard-Übernacht-Zustellung abgeschickt worden, was bedeutete, dass es theoretisch jederzeit zwischen jetzt und 18 Uhr ankommen konnte, aber Mustafa glaubte nicht, dass sie so lange würden warten müssen. »Überleg doch mal: Wenn du Paketzusteller wärst und du hättestSaddam Hussein auf deiner Route, würdest du ihn bis zum Nachmittag warten lassen?«
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte Samir, »aber könnten wir ihn nach derselben Logik nicht schon verpasst haben?«
    »Warten wir noch eine Stunde ab. Wenn der Lieferwagen bis dahin nicht aufgetaucht ist, statten wir diesem hilfsbereiten Typen am Flughafen einen zweiten Besuch ab.«
    Sie vertrieben sich die Zeit mit Spekulationen darüber, wer in einem Jeep, der einen halben Block hinter ihnen parkte, sitzen mochte. Mustafa meinte, denselben Wagen vor der APD-Abfertigung gesehen zu haben; Samir war sich dessen sogar sicher, gab sich aber zweifelnd. »Was meinst du, wer die sind?«
    »Höchstwahrscheinlich al-Qaida«, sagte Mustafa. »Es sei denn, al-Mukhabarat interessiert sich neuerdings für uns.« Al-Mukhabarat, »Nachrichtendienst«, war der Spitzname für ein Netzwerk von irakischen Privatdetektiven, die im Austausch für polizeiliche Gefälligkeiten unentgeltlich für die Baath-Gewerkschaft arbeiteten und damit praktisch Saddams privaten Nachrichtendienst darstellten. »Was meinst du, sollten wir uns vorstellen gehen?«
    »Tu dir keinen Zwang an.«
    Mustafa warf ihm einen weiteren besorgten Blick zu, drängte aber nicht. »In Ordnung«, sagte er. »Du bleibst hier, ich rede mit denen.«
    Doch gerade als er die Tür öffnete, bog ein brauner Lieferwagen um die Ecke, auf dessen Flanke die gesetzlich geschützte Frage stand: WAS KANN AL-ARABI FÜR DICH TUN? Mustafa zückte seinen Dienstausweis und stürzte hinaus, um den Wagen anzuhalten.
    »Ihre Mutter kann Ihnen nicht helfen.«
    An das Gebäude, in dem sich das Büro von Amals Mutter befand, grenzte ein Skulpturenpark. Er war ein beliebter Ort für Mittagsimbisse im Freien, aber zu dieser Vormittagsstunde war er bis auf zwei ältliche Schesch-Besch-Spieler und ein paar Kinderwagen schiebende Frauen menschenleer.
    Amal setzte sich auf eine Bank neben einem gigantischen Bronzekrug. In den Bauch des Krugs war ein Loch geschnitten, durch das man, wie durch ein Fenster, auf die Miniaturstadt im Inneren schauen konnte. Die Umrisse der Stadt und der Fluss, der sie zweiteilte, ließen an Bagdad denken, aber an ein Bagdad aus einem Paralleluniversum: Die irgendwie vertrauten Wahrzeichen waren alle falsch platziert, und die Straßen verliefen anders als in der Realität.
    Amal schaltete ihr Mobiltelefon ein. Sie hatte zwei Anrufe in Abwesenheit, beide von Mustafa. Sie wollte gerade ihren E-Briefkasten öffnen, als eine Ninja sich neben sie setzte und anfing, auf Golf-Arabisch zu sprechen. Es dauerte einen Moment, bis Amal begriff, dass die Worte der Frau an sie gerichtet waren.
    »Verzeihung?«, sagte Amal.
    »Ich sagte, Ihre Mutter kann Ihnen nicht helfen.« Die Frau hob eine Hand und zeigte auf eine weitere Skulptur. »Sehen Sie den Globus dort drüben? Er stellt die Welt so dar, wie die abbasidischen Kartografen sie kannten. Wenn man auf die andere Seite geht, wo die westliche Hemisphäre sein müsste, ist da nichts. Kein Amerika. Die Längen- und Breitengrade treffen sich nicht. Aus dieser Perspektive aber sieht er fast vollständig aus.« Die Frau schmunzelte. »Genau so ist die Autorität Ihrer Mutter. Hohl und unvollständig. Eine perspektivische Täuschung … Eine Fata Morgana.«
    Amal ließ das Mobiltelefon in ihre Tasche gleiten und wandte sich der Frau zu. »Wer sind Sie?«
    »Eine Dienerin eines wahren Dieners Gottes. Eines Mannes, der wirkliche Macht besitzt. Eines Mannes, der die Sicherheit Ihres Sohnes garantieren kann.«
    »Osama bin Laden«, sagte Amal nickend. »Und sollte ich es als eine Beleidigung oder als Kompliment auffassen, dasser mir die Botschaft von einer Frau überbringen lässt, statt von Abu Yusuf?«
    »Es ist ein Zeichen von Respekt.« Die Ninja schnaubte hinter ihrem Schleier. »Vielleicht sind Ihnen die Regeln des Anstands nicht vertraut.«
    »Vielleicht sind Sie mit der Strafe nicht vertraut, die auf Bedrohung einer Bundesagentin steht.«
    »Ich drohe nicht. Ich spreche die Wahrheit. Salim bin Anwar wird von Anmar al-Maysani nicht

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