Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
augenblicklich so prekären Situation war Miranda zum Lachen zumute. Großer Gott, wurde sie verrückt? Der Gedanke ernüchterte sie.
“Tun Sie, was ich Ihnen aufgetragen habe, Pendle. Für Sie ist der Zeitpunkt gekommen, nach Ormiston zurückzukehren, wo Sie hingehören. Die Sache ist Ihnen aus der Hand genommen worden. Keine Widerrede, Pendle!”
“Nein, Madam.”
“So ist es zum Besten, und …”
“Nein, Madam, ich gehe nicht, wollte ich sagen.”
“Bitte, Pendle …”
Abrupt hielt sie inne, weil sie Hufschlag hörte, und war verstimmt. Sie wollte niemanden sehen. Sie war nicht dazu aufgelegt, jemanden zu empfangen. Sie hoffte, es möge nicht Clementina sein, die hergekommen war, um sich für ihren Bruder zu verwenden.
Mr Pendle schaute aus dem Fenster und äußerte dann zufrieden: “Wir können gleich Seine Gnaden zu dieser Sache befragen, Madam. Er ist soeben eingetroffen.”
Nein, dachte Miranda. Gänzlich undamenhaft sprang sie auf und erschreckte dadurch Pendle, der sich sofort hinter einem Tisch in Sicherheit brachte. Sie ging zum Fenster. Träumte sie? Nein. Sie neigte vielleicht zu Halluzinationen, aber nicht Pendle. Leo war tatsächlich eingetroffen.
Er saß ab und schaute an der Fassade hoch. Miranda zuckte zurück. Erinnerungen an den vergangenen Abend, der Anblick von Leos zorniger Miene, ihr Schmerz und das Gefühl der Erniedrigung überwältigten sie. Soweit sie das beurteilen konnte, gab es nur noch die Möglichkeit zur Flucht. Sie drehte sich um und hätte dabei fast Pendle umgestoßen, der ihr gefolgt war.
“Nein!”, äußerte sie verstört. “Ich kann jetzt nicht mit Seiner Gnaden reden!”
“Wie…so nicht, Ma…dam?”
“Ich will nicht mit ihm reden, Pendle. Verlangen Sie das nicht von mir.”
“Aber, Madam …”
“Nein, Pendle.” Sie hastete aus dem Salon.
Sie hatte soeben das Treppenpodest erreicht, als ihr bewusst wurde, wie lächerlich ihr Verhalten war. Das Haus gehörte ihr. Wenn sie Leo nicht sehen wollte, musste sie ihn nicht sehen. Sie konnte ihn fortschicken. Noch besser, sie konnte Pendle beauftragen, ihn fortzuschicken. Aber Pendle war Leos Bediensteter und ihm treu ergeben. Warum sollte er sie vor seinem Herrn schützen? Sie stöhnte auf, griff sich an die Stirn und lehnte sich an die Wand der Galerie. Warum war Leo gekommen? Was hatten sie beide sich noch zu sagen? Wusste er nicht, dass die Sache zu Ende war?
“Wo ist Mrs Fitzgibbon?” Seine Stimme hatte geklungen, als habe er die Frage mit zusammengebissenen Zähnen gestellt.
Miranda erstarrte. Das Herz klopfte ihr zum Zerspringen.
“Sie ist jetzt nicht imstande, Sie zu empfangen, Euer Gnaden.” Pendles Stimme hatte etwas zu hoch geklungen.
Miranda atmete tief durch. Der gute alte Pendle. Sie würde nie wieder an ihm zweifeln.
“Nicht imstande, mich zu empfangen!” wiederholte Leo wütend. “Das glaube ich nicht, Pendle. Ich weiß, sie ist hier. Holen Sie sie sofort her. Ich will mit ihr reden. Ich will sie fragen, warum sie mich belogen hat. Sie ist ebenso wenig eine Gräfin, wie ich ein Graf bin.”
Er wusste Bescheid. Das musste Tina ihm erzählt haben. Miranda war verschreckt, konnte der Freundin den Vertrauensbruch jedoch nicht verargen. Schließlich war Leo deren Bruder, dessen Partei sie ergreifen musste. Aber nun war das ohnehin schon große Durcheinander noch größer geworden, weil er jetzt die Wahrheit kannte. Oder hatte das die Sache vereinfacht?
Jedenfalls musste sie sich von nun an nicht mehr als ihre Stiefmutter ausgeben. Sie konnte wieder sie selbst sein. Diese Erkenntnis war tröstlich und verlieh ihr neuen Mut. Ein Stoßgebet zum Himmel schickend, ging sie an die Brüstung der Galerie und schaute in die Halle hinunter.
“Bitte, gehen Sie, Euer Gnaden.” Pendle rang tatsächlich die Hände. “Reiten Sie nach Hause und beruhigen Sie sich. Ich werde Mrs Fitzgibbon ausrichten …”
“Ich werde nicht nach Hause reiten! Ich will sofort mit ihr reden. Ich möchte wissen, warum sie mir nicht die Wahrheit über sich gesagt hat, obwohl sie so viele Gelegenheiten dazu hatte. Ich …”
“Ich habe dir die Wahrheit nicht gesagt, Leo, weil ich einen solchen Ausbruch befürchtet habe.”
Mitten in der Bewegung hielt er inne, als sei er von einer Kugel getroffen worden. Er sah zu Miranda hoch, und seine Augen funkelten sie an. Sie stand im Schatten, doch ihr hübsches, blasses Gesicht war deutlich zu erkennen.
“Glaubst du, nach allem, was ich deinetwegen durchmachen
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