Mirandas Monsterwelt
Dimensionsverschiebungen, die sich nur öffneten, wenn Magie eine große Rolle spielte, wie in diesem Fall.
Das Licht funkelte wie ein Diamant. Es strahlte in seinem Innern und besaß äußerlich einen blasseren Schein. Noch war nichts Genaues zu erkennen. Dieses Licht erinnerte Miranda an einen farbigen Stern, der in der schwarzen, nicht meßbaren Tiefe des Alls lauerte, und noch überlegte, ob er einen weiten Weg zurücklegen sollte.
Und der Weg war weit oder sehr nah.
Hier konnte niemand mit Entfernungsangaben dienen. Lichtjahre konnten innerhalb eines Gedankensprungs zurückgelegt werden, und so mußte Miranda Morton warten. Sie hatte das Ihre getan, alles andere mußte der Spiegel erledigen und auch ihre Mutter.
Einen kleinen Schritt trat Miranda zurück. Sie blieb starr stehen und schaute den Spiegel an, in dessen Mitte sich noch immer das Leuchten zeigte.
Zeit verging.
Miranda wollte sie nicht messen, aber sie spürte, daß sich das Tor zu einer anderen Welt für sie öffnen würde. Es waren Strahlungen, die sie empfing. Empfindungen, Hinweise und zum erstenmal die flüsternde Stimme ihrer verstorbenen Mutter, die aus dem Jenseits über eine magische Brücke an ihre Ohren drang.
»Du hast mich gerufen, Tochter…«
»Ja, Mum.«
»Hatte es einen besonderen Grund?« Die Frage war nur mehr ein Hauch, der Miranda entgegenschwang.
»Ich… ich möchte dich um Rat bitten.« Sie faltete die Hände, »ich brauche ihn.«
»Weshalb?«
»Weil ich nicht mehr weiter weiß. Es ist der Punkt erreicht, wo alles enden kann. Irgendwie habe ich das Gefühl, dicht vor einer Entdeckung zu stehen. Ich bin mir nicht mehr sicher. Die andere Welt ist stärker. Die Monstren, die du mir geschickt hast…«
»Was ist mit ihnen?«
»Ich kann es nicht sagen. Ich weiß es nicht, Mutter. Es ist manchmal schrecklich…«
»Ich komme, Kind…«
Miranda atmete tief aus. Genau auf die Worte hatte sie voller Sehnsucht gewartet. Wenn die Mutter zu ihr kam und sie die gesamte Fläche des Spiegels ausfüllte, hatte Miranda stets das Gefühl, sich in Sicherheit zu wiegen.
Claudia hielt ihr Versprechen.
Noch war sie nur mehr eine Hülle. Ein Stück Materie, ein Klumpen, der strahlte, vielleicht nur Energie, die trotzdem denken und andere beeinflussen konnte. Der Spiegel machte eben vieles möglich, auch so etwas.
Miranda zitterte. Obwohl sie schon oft genug mit ihrer Mutter in Kontakt getreten war, konnte sie dieses Zittern nie vermeiden. Jede Begegnung war immer wieder neu für sie, ein Abenteuer, das es zu überstehen galt, und das sie bisher immer überstanden hatte.
Das grüne Licht wanderte. Es blieb auf der Stelle stehen und kam trotzdem vor, jedenfalls hatte Miranda das Gefühl, obwohl man bei diesem Spiegel nicht in Entfernungen rechnen konnte.
Die Augen des Mädchens vergrößerten sich. Miranda wollte den Vorgang genau mitbekommen, und sie mußte mit ansehen, daß sich die Fläche des Spiegels ebenfalls veränderte. Auch er bekam einen anderen Schein, das grünliche Fluoreszieren jedenfalls war zuvor nicht dagewesen. Es verteilte sich über die gesamte Fläche und trat besonders stark an den Schnittstellen der einzelnen Puzzleteile hervor.
Claudia kam.
Aus dem Licht wurde etwas Neues geschaffen. Zunächst zerplatzte das Zentrum, ohne einen Laut von sich zu geben. Es raste auseinander, die einzelnen Teile flogen in verschiedene Richtungen, wobei es so aussah, als würden sie über den Rand des Spiegels jagen und ihn verlassen.
Das geschah nicht, sie blieben innerhalb der Fläche, füllten sie aus und wurden selbst zu den Teilen eines geisterhaft wirkenden Puzzles, das sich einen Gedankensprung später wieder zusammenfügte, aber keinen Lichtball mehr bildete, sondern etwas anderes.
Ein Gesicht!
Miranda öffnete den Mund. Wie ein Hauch drang es über ihre Lippen.
»Mutter…«
Es war wie immer. Der erste Kontakt bestand zwischen Mutter und Tochter. Dabei schien es so, als wären sie Fremde gewesen, die erst jetzt dabei waren, Freundschaft zu schließen.
Ein Unbeteiligter und heimlicher Zuschauer hätte feststellen können, wie sehr sich Mutter und Tochter glichen. Auch Claudia Morton besaß das gleiche blonde Haar, auch wenn es an einigen Stellen dunkler war und nicht so glatt wie das des Mädchens. Bei dem anderen Haar hatte man das Gefühl, als würde es unter einer gewissen Spannung stehen.
Claudia Morton war recht jung gestorben. Nicht einmal vierzig war sie geworden, und zwischen ihr und der Tochter hatte ein
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