Mirandas Monsterwelt
Untergestells waren natürliche Materialien verwendet worden. Holz, Flechten, Gras und Moos. Aber eine Tür entdeckte ich nicht, dafür kleine Fenster, deren äußere Umrandung aus dicken Ästen bestand.
Eine Tür gab es auch nicht. Um in das Haus hineinzugehen, mußte ein aus einem sackähnlichen Material bestehender Vorhang zur Seite geschoben werden. Der Eingang wurde ebenfalls von dickeren Ästen, die bis hoch zum Dach reichten, abgestützt.
»Wer hat diese Hütte gebaut?« fragte ich das Mädchen.
»Das ist doch egal.«
Ich mußte mich wohl oder übel mit der Antwort zufriedengeben und konnte zuschauen, wie Miranda den Vorhang zur Seite schob, damit ich den nötigen Platz bekam.
»Warten Sie noch«, sagte sie, als ich an der »Tür« stand. »Ich mache nur Licht.«
Es war klar, daß es keinen elektrischen Strom gab. Miranda verließ sich auf einige Kerzen, die sie im Raum verteilt hatte und deren Dochte nun angezündet wurden. Schon bald flackerte der erste Schein auf. Milchig-rötliches Licht, das in der Dunkelheit nur kleine Lichtinseln schuf.
»Jetzt können Sie kommen.«
Ich kam, zog den Kopf ein und ließ ihn auch so, denn für mich war der Raum zu niedrig. Als ich mich normal hinstellte, schabte ich schon mit dem Haaransatz unter der Decke entlang und wunderte mich zum erstenmal über die Einrichtung.
Man konnte sie als gemütlich bezeichnen. Sogar eine Feuerstelle aus Steinen war vorhanden, und darüber entdeckte ich das Loch, wo der Rauch abziehen konnte.
Als Einrichtungsgegenstände dienten Rattan-Möbel, und die waren sicherlich aus dem Katalog gekauft und nicht selbst angefertigt worden.
In der Nähe des Kamins befand sich eine Schlafstelle. Ein einfaches Lager mit einer Wolldecke darauf.
Ich nickte irgendwie bewundernd und sah, daß Miranda schon Platz genommen hatte.
»Sie können sich auch setzen.«
Ihr gegenüber ließ ich mich nieder. Zwischen uns stand ein schmaler Tisch, und ich saß mit dem Rücken zum Kamin. Kaum hatte ich die Stuhlfläche berührt, als Miranda ihre Arme hochnahm und ich zurückzuckte, denn über ihre Hände und die Unterarme ringelten sich zwei Schlangen. Sumpfottern oder ähnliches.
Ich holte tief Luft.
»Haben Sie Angst?« fragte das Mädchen.
»Nicht direkt, ich wußte nur nicht, daß Sie sich solche Haustiere halten.«
Sie hob die Schultern, beugte sich zur Seite und sorgte so dafür, daß sich die Schlangen auf dem Boden, der aus festgestampfter, aber feuchter Erde bestand, weiterbewegten.
Mochte Miranda auch noch so nett und naiv aussehen, mir paßte die Lage trotzdem nicht, und ich stellte meine erste gezielte Frage: »Was wollen Sie von mir? Ich habe Ihre Bedingungen erfüllt, bin allein zu Ihnen gekommen, jetzt sind Sie an der Reihe.«
Eine konkrete Antwort bekam ich nicht. Statt dessen schaute sie mir direkt ins Gesicht und fragte mit leiser Stimme: »Sind Sie der Mann mit dem Kreuz?«
Das überraschte mich. »Ja, der bin ich.«
»Dann hat sich meine Mutter nicht geirrt.«
»Ach, Sie haben noch eine Mutter.«
»Ja, und einen Vater. Aber meine Mutter ist verstorben.«
Ich runzelte die Stirn, hob eine Hand und den Zeigefinger. »Augenblick mal. Sie haben mir eben gesagt, daß ihre Mutter nicht mehr lebt. Ist das so?«
»Ja.«
»Und trotzdem haben Sie Kontakt?«
»So ist es.«
Da sie nichts mehr hinzufügte, fragte ich sie, ob sie sich nicht näher dazu äußern wollte.
»Ich sehe sie hin und wieder, und sie hat mich auch gewarnt, daß Sie der Mann sind, der das Kreuz besitzt.«
»Wie schön. Jetzt sitze ich hier vor Ihnen, und Sie überlegen, was Sie mit mir anstellen sollen?«
»Nein, das weiß ich schon.«
»Und was?«
»Ich werde Sie töten!«
***
Ach, wie nett, wollte ich sagen, verschluckte den Satz aber, denn das Gesicht des Mädchens sagte mir, daß es Miranda verdammt ernst bei dieser Antwort gewesen war.
Nun hatte man mir schon des öfteren diese Dinge an den Kopf geworfen.
Von Killern, von Dämonen, sogar der Teufel höchstpersönlich hatte mir mehrmals den Tod versprochen, aber diese Worte aus dem Mund eines so verschüchtert wirkenden Mädchens zu hören, war ziemlich neu für mich.
»Sie wollen mich töten?«
Miranda blickte mich an. Ihre Pupillen reflektierten das Licht einer Kerze.
Dabei verschwammen sie zu geheimnisvollen, grünroten, winzigen Seen, und die Lippen begannen zu zucken.
»Ich nicht persönlich, Mr. Sinclair. Das übernehmen andere.«
»Sie haben also noch Helfer?«
»Natürlich.«
»Darf ich
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