Mirandas Monsterwelt
abzufinden.
»Sie sagen ja nichts, Mr. Sinclair!« vernahm ich die leicht spöttisch klingende Stimme des Mädchens hinter mir.
Ich drehte mich um.
Miranda hatte sich nach wie vor nicht vom Fleck gelöst. Sie saß wie festgeleimt auf dem Stuhl. Ihr Gesicht wurde vom Schein der Kerzen umschmeichelt und hatte einen geheimnisvollen und irgendwie unergründlichen Ausdruck bekommen.
Ich hob die Schultern. »Was soll ich Ihnen erzählen?«
»Von einer veränderten Landschaft, zum Beispiel.«
»Ich habe sie gesehen.«
»Und?«
Mit der Antwort ließ ich mir Zeit. Auf meinem Weg zum Platz ringelte eine der beiden Schlangen fast über meine Fußspitzen. »Ich muß ehrlich sagen, daß ich Sie unterschätzt habe.«
»Nicht mich. Meine Mutter.«
»Ist sie auch hier?«
»Nein, aber sie hat für diese Veränderung gesorgt. Dieses Haus im Sumpf ist ein kleines Refugium. Ich ziehe mich gern hierher zurück, weil ich weiß, daß Mutter ihre schützenden Hände über mich hält. Sie hat es bewiesen.«
»Das stimmt allerdings.«
Mit einer lässig anmutenden Bewegung schleuderte das Mädchen ihre blonden Haare zurück. »Darf ich Ihnen, Mr. Sinclair, vielleicht etwas anbieten?«
Ich schüttelte den Kopf. »Auch wenn es der beste Whisky wäre, Mädchen, ich traue Ihnen nicht über den Weg.«
»Das ist Ihre Sache.« Sie lächelte. »Wissen Sie denn schon, wie es weitergehen wird?«
»Ich kann es mir denken.«
»Und wie?«
»Wahrscheinlich werden wir auf Ihre Freunde warten.«
»Sehr richtig, Mr. Sinclair. Ihnen wird sich Mirandas Monsterwelt voll erschließen…«
***
Der Mann war Suko schon avisiert worden, und als Glenda ihn in das Office brachte und noch einmal den Namen des Besuchers erwähnte, konnte der Inspektor trotzdem nichts damit anfangen, denn einen Percy Morton kannte er nicht.
Suko blieb höflich, wies dem Besucher einen Platz an, und Glenda brachte einen Kaffee.
»Womit kann ich Ihnen helfen?« fragte der Chinese. Sein Besucher mußte irgend etwas mit der Fliegerei zu tun haben, da er eine Uniform der British Airways trug. Sein braunes Haar war gescheitelt. Hier und da schimmerten ein paar graue Haare. Daß der Mann Sorgen hatte, sah Suko ihm an, zudem spielten die Finger seines Besuchers auch mit dem Rand der Mütze, die er auf seinen Schoß gelegt hatte.
Suko wollte ihm eine Brücke bauen. »Sie wissen nicht, wie Sie anfangen sollen, Sir?«
»So ist es.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an. Reden Sie frei von der Leber weg!«
Das tat der Mann dann auch. Er sprach nicht sehr flüssig, aber die Geschichte, die an sich nicht viel hergab, riß Suko trotzdem fast vom Stuhl. Er wollte nicht an einen Zufall glauben, das mußte einfach das Schicksal gewesen sein, das die Weichen gestellt hatte.
»Sie kommen also wegen Ihrer Tochter Miranda zu uns«, faßte der Inspektor zusammen.
»Im Prinzip ja.«
Suko lächelte und nahm einen Bleistift auf. »Dann sind Sie bei uns genau richtig, denn wir beschäftigen uns bereits mit dem Fall. Das heißt, mein Kollege john Sinclair und ich.«
Dem guten Percy Morton stand vor Staunen der Mund offen. »Was Sie nicht sagen? Stimmt das?«
»Und wieso?«
Suko wollte ihm den Grund nicht einfach erklären. Er lehnte sich statt dessen zurück und fragte: »Sagen Sie mal, Mr. Morton, hatte Ihre Tochter vielleicht Halluzinationen?«
»Hm.« Morton überlegte. »Könnte ich nicht behaupten. Was sie erlebte, war schon echt.«
»Was haben Sie denn genau gesehen?«
»Ich erzählte Ihnen doch schon. Nicht sehr viel. Ich sah ein grünes Licht, hörte einen Schrei und hatte das Gefühl, mich in einem Film von Spielberg zu befinden. Dann bekam ich einen regelrechten Hieb, ohne daß ich von einem Gegenstand getroffen worden wäre. Aber dieser Schlag trieb mich bis gegen die andere Gangwand. Ich bin dann geflohen und sogar die Treppe hinuntergefallen.«
»Aber mit Ihrer Tochter sprachen Sie nicht mehr?«
»Nein, erst heute morgen beim Frühstück.« Er hob die Schultern. »Ich traute mich nicht, das Thema anzuschneiden, da bin ich ehrlich. Vielleicht hätte sie mich ausgelacht. Nur während des Dienstes kamen mir Bedenken, als ich näher über Mirandas Verhalten nachdachte.«
»Jetzt ist sie zu Hause?«
»Ja.«
»Das glaube ich nicht.«
»Wie können Sie das behaupten?«
»Weil sich Ihre Tochter mit meinem Kollegen John Sinclair treffen wollte. Kennen Sie das Swamp Areal?«
»Natürlich. Da hab' ich mal ein kleines Haus gebaut, weil ich ein Freund dieser Landschaft bin.
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