Mirandas Monsterwelt
höhnischer Gruß, und für einen Moment verdunkelte sich der Teil eines Ausschnitts. Ich hatte erst an eine Wolke gedacht, bis ich erkannte, was es tatsächlich war.
Eine Schwinge.
Groß und träge mit einer gewaltigen Spannweite, die der eines Adlers gleichkam.
Nur gab es in dieser Gegend keine Adler. Vielleicht war es eine riesige Fledermaus, die auf ihre Verwandlung in einen zweibeinigen Vampir wartete.
Das war also das dritte Monstrum.
Blieb der Zombie.
Ich drehte mich blitzschnell um. Es war eine reine Reflexbewegung, weil ich daran dachte, daß ich den Rücken frei hatte. Und ich hatte gut daran getan, denn ich konnte auf das Dach der Hütte schauen, wo er stand.
Weit aufgerissen war das Maul. Die Zähne schimmerten im hellen Geifer.
Augen leuchteten gelb wie Bernstein, und das Fell stand ihm zu Berge.
Der Werwolf war da!
Ich wollte die Beretta ziehen, denn es war besser, wenn ich schon jetzt klare Verhältnisse schuf, aber mit einer geschmeidigen Seitwärtsbewegung tauchte die Bestie weg und wurde vom Schatten des Dachs verschluckt. Ich hörte noch seine tapsigen Schritte und das Schaben irgendwelcher Zweige. Dann war die Bestie verschwunden.
Dafür lachte Miranda. »Ja, John Sinclair, das Versprechen wurde gehalten. Meine Mutter läßt mich nicht allein. Sie hat mir das Monsterreich eröffnet.«
Dem mußte ich wohl oder übel zustimmen. Nur konnte ich die nächste Reaktion des Mädchens nicht begreifen, denn urplötzlich schrie Miranda auf, ging einen Schritt zur Seite, riß ihren Arm hoch und preßte die Hand um den Hals.
Totenblaß war sie geworden. Es sah so aus, als würde sie fallen. Ich sprang hinzu, sie kippte, ich fing sie auf, und in dieser Schräghaltung blieb sie, auf meine Arme gestützt, liegen.
Spielte sie mir etwas vor? Wollte sie mich in Sicherheit wiegen, um zuschlagen zu können?
Ich hatte keine Ahnung, aber sie mußte schon eine fabelhafte Schauspielerin sein, doch das traute ich ihr nicht zu, denn die Angst und auch die Trauer waren echt.
»Mutter…«, ächzte sie. »Mutter, was macht man mit dir?« Miranda sprach mit einer völlig fremden Stimme. Sie klang tief, grollend und hätte ebensogut einem Mann gehören können. Dabei verdrehte sie die Augen.
Schweiß bildete sich auf ihrer Haut, ein Zittern durchlief den Körper, der mir vorkam, wie von Fieberschauern geschüttelt.
»Mutter…!«
»Was ist mit deiner Mutter?« schrie ich sie an. »Was ist los?«
»Tot!« brüllte sie röhrend, so daß es wie ein Schrei über das Moor hallte.
»Sie ist tot. Man hat sie getötet. Der Mann… ein Gegner… der Spiegel - zerstöööörttt…«
Beim letzten Wort kippte ihre Stimme über. Miranda blieb auch nicht mehr auf meinen Armen. Sie schüttelte sich, schlug um sich, traf mich am Hals, ich ließ sie los, und sie prallte zu Boden, wo sie auf allen vieren weiterkroch und sich den Dunstschwaden entgegenbewegte, die langsam herantrieben.
»Meine Mutter ist toooottt…«
Fürchterlich waren ihre Schreie, ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten, aber auch so etwas mußte ich durchstehen und schaute zu, wie sie plötzlich anhielt und mit beiden Fäusten auf den Boden trommelte, der so hart wie Glas war.
Halb kniete sie, halb lag sie. Aber sie war fertig, am Ende und konnte nur schluchzend Luft holen. Immer wieder sprach sie den Namen ihrer Mutter aus.
Ich ging zu ihr und blieb an ihrer rechten Seite stehen. Miranda nahm mich nicht wahr, und erst als ich meinen Finger gegen ihren Rücken tippte, zuckte sie zusammen, drehte sich herum und starrte mich hart an.
»Kommen Sie!« sagte ich.
Ihr Blick wurde böse und gemein. Ich fühlte mich wie aufgespießt. Nichts war mehr von dem freundlichen, etwas schüchtern wirkenden Mädchen zurückgeblieben. Das war eine andere Miranda Morton, die jetzt vor mir lag. Sie fühlte sich als der Mittelpunkt einer Monsterwelt und war von ihr bis in die tiefsten Stellen ihrer Seele beeinflußt worden.
»Rühr mich nicht an, du Hund! Du… du allein bist es schuld, daß Mutter tot ist.«
»Ich war hier!«
»Aber sie ist gestorben. Jemand hat sie endgültig vernichtet und auch den Spiegel.« Plötzlich lachte sie schrill. »Aber jetzt können die Monstren nicht mehr zurück. Der Weg ist ihnen versperrt. Sie werden bleiben. Sie werden diese Welt für sich einnehmen und die Menschen vernichten. Der Vampir macht sich auf die Suche nach Blut, der Werwolf wird Opfer reißen, der Zyklop wird sie verbrennen, und der Zombie wird sie mit seinem
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