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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gegenwärtigen Status Ödenburgs abzielen.«
    Bronstein machte ein ratloses Gesicht.
    »Der Kollege meint, er wollt’ dafür sorgen, dass Ödenburg bei Österreich bleibt«, übersetzte der Offizier die Ausführungen des Gendarmen.
    »Ah, und deswegen meinen S’ gleich, dass die Ungarn ihn aus dem Weg geräumt haben? Ich glaub das, meine Herren, mit Verlaub eher nicht. Dann hätten s’ ihn nämlich erschossen – und nicht hinterrücks erstochen. Bei politisch motivierten Mordtaten treten die Akteure nicht so verstohlen auf«, dozierte er.
    »Weiß das die Sisi auch?«
    »Ah«, Bronstein verzog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen, »der Herr Gendarm ist Historiker.« Er fingerte nach einer Zigarette und versuchte dabei, seinen Ärger auf sich selbst zu kaschieren. Tatsächlich war die Kaiserin seinerzeit mit einer Feile von einem Anarchisten erstochen worden, und der Fall Bürkl sah der damaligen Tat frappant ähnlich.
    »Nein, nein, meine Herren, glauben S’ einem alten Hasen«, bemühte er sich um Contenance, »dieser Mord geschah aus anderen Motiven. Und ich werde sie enthüllen.« Er sah demonstrativ auf die Uhr. »Heute können wir eh nichts mehr machen. Holen Sie mich morgen um 9 Uhr hier ab, dann zeigen Sie mir den Tatort, sein Geschäft und sein Umfeld.«
    »Morgen?«
    »Ja, was spricht dagegen?«
    »Aber morgen ist ein Feiertag«, erklärten beide wie aus einem Munde.
    »Ah so? Welcher denn, um Himmels willen?« Bronstein war nicht klar, weshalb ein Donnerstag ein Feiertag sein sollte.
    »Na, Mariä Empfängnis! Da geht hier einmal gar nichts. Zuerst ist die heilige Messe, dann der Frühschoppen, und ab Mittag ist sowieso Feiertagsruhe.«
    Bronstein versenkte seinen Blick in die Augen seiner Gesprächspartner. Nach einer Weile brach er das Schweigen: »Sie meinen das wirklich ernst, oder?«
    Beide nickten.
    »Sagen S’ einmal, sind Sie vollkommen wahnsinnig!« Bronstein brauste auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Glauben Sie ernsthaft, das Verbrechen hält sich an Feiertage? Was«, äffte er theatralisch einen subalternen Beamten nach, »einen Mord haben wir? Aber doch nicht heute! Heute ist St. Fidibus!« Durchdringend fixierte er die beiden Männer und schob mit schneidender Stimme nach: »So können S’ vielleicht eine öde Burg verwalten, aber nicht die Abteilung Leib und Leben! Die Messe lasse ich Ihnen durchgehen, aber unmittelbar danach sind S’ bei mir g’stellt. Verstanden!«
    Die beiden Männer raunten missmutig Zustimmung.
    »So, jetzt, wo das geklärt ist, sagen Sie mir noch: hatte der Mann Familie und Angestellte oder nicht?«
    »Ja und nein.«
    »Was heißt das jetzt schon wieder?« Bronsteins Zorn wurde allmählich heftiger.
    »Ja, er hatte Familie, und nein, er hatte keine Angestellten«, bemühte sich der Offizier um Konzilianz. Bronstein zeigte sich versöhnt.
    »Gut, ich will sämtliche Daten, vom Taufschein bis zum Meldezettel, morgen in der Früh hier im Hotel haben. Vor der Messe noch. Und nach der Messe gehen wir’s an.«
    Da dem nichts mehr hinzuzufügen war, wünschte man sich wechselseitig eine gute Nacht, wobei niemand entgehen konnte, wie frostig diese Verabschiedung ausfiel. Bronstein begab sich auf sein Zimmer und versuchte, nachdem er im ›Lloyd‹ sogar schon die Kleinanzeigen gelesen hatte, endlich einzuschlafen.
    Dröhnendes Glockengeläut riss ihn jäh aus dem Schlaf. Verschreckt blickte er auf seine Uhr und stellte fest, dass diese 7 Uhr 25 zeigte. Offenbar ging man in Ödenburg früher zur Messe als in Wien. Und wenn diese im Gegenzug dazu nicht doppelt so lange dauerte, dann hatte er eine runde Stunde für ein Frühstück, ehe er sich wieder mit den beiden Spaßvögeln auseinandersetzen musste, die ihm zur Lösung des Falles anvertraut worden waren. Umständlich wusch er sich, noch umständlicher kleidete er sich an, und einige Minuten vor 8 Uhr morgens stand er in der Schankstube und begehrte lautstark ein Frühstück.
    Wenig später schlug er seine Zähne genussvoll in ein Butterbrot, um sogleich von einem nachhaltigen Ekelgefühl überwältigt zu werden. Diese Butter, so erkannte er angewidert, war ausnahmslos für den anspruchslosesten Gaumen gemacht worden. Aber sie passte gut zu dem tümpelfarbenen Gesöff, von dem der Hotelbedienstete meinte, es handle sich um Kaffee. Bronstein fuhr mit dem Löffel in die Schale und versuchte, die Haut der gekochten Milch zu entfernen. Nein, diese Brühe war absolut untrinkbar. Und das Brot verstieß

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