Mischpoche
Bronstein in fußballerischer Hinsicht wenig zu lachen gegeben, denn zumeist war der Sportclub weit von allen Meriten dieses Sports entfernt.
Nur ein einziges Mal hatte Bronsteins Glück eine ganze Saison lang vorgehalten. Der Challenge-Cup 1911 war eine einzige Reise ins Fußballglück für ihn gewesen. An einem nasskalten Märztag waren die Athletiker aus Floridsdorf in der ersten Runde mit 7:3 regelrecht vom Platz geschossen worden. Die Mannschaft um Kolarik, Schmieger, Braunsteiner und Alois Müller war nie in Gefahr gewesen, nicht ins Halbfinal aufzusteigen. Und dort setzten sie gleich noch einen drauf und demontierten Rapid mit 3:1, wobei die Harmlosigkeit der Hütteldorfer ihre Anhänger so erzürnte, dass sie begannen, den Schiedsrichter zu beleidigen, worauf der das Match vorzeitig abbrach und den Sportclub zum Sieger erklärte.
Mit einem Sieg von 3:1 gingen die Dornbacher auch im Wiener Finale im Juni jenes Jahres vom Platz, obwohl Gegner Simmering mit seiner stärksten Formation angetreten war und mit Macho, Swatosch und Kudin absolute Ballkünstler aufgeboten hatte. Doch der Sportclub war eine Nummer zu groß für die aus Simmering. Noch jetzt hatte Bronstein die hämischen Kommentare von der Tribüne in Erinnerung, als man dem unterlegenen Widersacher riet, sich zu Hause einsargen zu lassen, was eine unmissverständliche Anspielung auf den Umstand war, dass in Simmering eben auch der Zentralfriedhof lag.
Besondere Freude hatte auch die Begegnung mit dem tschechischen Repräsentanten auf Troppau gemacht, denn an jenem Tag waren Braunsteiner und Compagnie besonders in Torlaune gewesen. 14:0 lautete der für Böhmen und Mähren ernüchternde Endstand, und der Wiener Sportclub stand erstmals, seit Bronstein ihm die Daumen drückte, im Finale eines großen Bewerbs. Beinahe hatte sich Bronstein damals gar nicht auf den Platz gewagt, als er erfahren hatte, dass Alois Müller nicht würde spielen können. Doch dann obsiegte sein Vertrauen in das restliche Team, und er wurde mit einem 3:0 gegen Ferencvaros Budapest belohnt, bei dem sich just Müllers Ersatzmann Neubauer ausgezeichnet hatte.
Hoffnungsfroh war Bronstein daher in die erste Meisterschaft gegangen, die im Herbst 1911 begonnen hatte. Tatsächlich verloren die Jungs aus Dornbach außer gegen den schärfsten Rivalen Rapid nur gegen den WAC und lagen daher den Hütteldorfern die ganze Saison hindurch dicht auf den Fersen. Das Retourmatch gegen Rapid musste demnach die Entscheidung bringen. Und so hatte es auch er sich nicht nehmen lassen, an jenem Maidonnerstag auf die Pfarrwiese zu pilgern, bereit, im Falle des Sieges gleich eine Kerze zu stiften. Und Willi Schmieger enttäuschte ihn nicht. Bereits nach gut 20 Minuten netzte er zum 1:0 ein. Doch dann folgte der völlige Zusammenbruch. Statt Austerlitz Waterloo. Kurz nach 7 Uhr abends war er gebrochen heimgeschlichen. In der Tat erholte sich Dornbach von diesem 1:5 nicht mehr. Zehn Jahre vergebener Chancen, betrogener Hoffnungen und nicht enden wollender Depression folgten, in denen es Bronstein immer wieder enorm schwergefallen war, dem Sportclub weiter die Treue zu halten.
Doch dann folgte glücklicherweise diese wunderbare Wiederauferstehung. Knapp zehn Jahre nach dem tragischen Tag auf der Pfarrwiese schlug die neue Sportclub-Mannschaft mit den Kanhäuser-Brüdern, mit Zankl und Powolny zurück. Wieder lautete das Ergebnis 5:1, doch diesmal für die Dornbacher, die zuvor alle anderen relevanten Gegner wie Simmering, die Amateure, die Vienna oder die Hakoah besiegt hatten und souverän führend in die Rückrunde gehen konnten.
Es war wie verhext, als sich ausgerechnet Abwehrbollwerk Teufel verletzte und für den Rest der Saison ausfiel. Die Dornbacher verloren gegen den AC aus Floridsdorf und gegen Wacker, schafften mit Müh und Not ein Remis gegen die Admira. Mit einem Mal war es wieder eng geworden, und Bronstein, der sich schon gesehen hatte, wie er mit einem »Masta samma« im Büro erscheinen würde, sah die Felle seiner Mannschaft davonschwimmen.
Und daher saß er schon am frühen Morgen zitternd im Büro, denn er würde es sich nie vergeben können, dieses entscheidende Spiel nicht persönlich mitverfolgen zu können.
Doch der Fußballgott war ihm gewogen. Wien blieb friedlich an diesem Tag, und so konnte Bronstein rechtzeitig nach Simmering pilgern.
Mit unsicheren Schritten, in Gedanken schon bei dem Spiel, bewegte er sich die Stufen aufwärts, um sich schließlich in der 5. Reihe
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