Miss Carolines verwegener Plan
war klar, dass es sich um Neugierige handelte, die selbst sehen wollten, wer die junge Dame war, die von Max Ransleigh kompromittiert worden war. Halb nackt sollte sie laut Lady Melross’ Worten gewesen sein! Und dennoch hatte sie Ransleigh nicht geheiratet.
Zweifellos hatten die Gentlemen damit gerechnet, einer verführerischen Sirene zu begegnen. Und zweifellos waren sie enttäuscht worden.
Caroline seufzte, gestand sich aber gleichzeitig ein, dass sie sehr erleichtert darüber war, keine weitere Saison in London verbringen zu müssen. Das Thema war erledigt. Auch eine Hochzeit mit Max Ransleigh stand nicht mehr zur Diskussion. Zehn Tage lang hatte ihre Stiefmutter vergeblich versucht, sie zur Vernunft zu bringen. Dann hatte sie aufgegeben.
Eugenia, die sich in Barton Abbey so gut amüsiert hatte, konnte ihr nur schwer verzeihen, dass sie wegen des Skandals vorzeitig abreisen mussten. Zwar hatte man ihr auf der Heimfahrt berichtet, was sich wirklich zugetragen hatte. Aber das hatte Eugenias Ärger nicht verringert. Als Caroline ins Haus trat und Reitgerte sowie Handschuhe dem Butler überreichte, sagte sie sich, dass sie selbst eigentlich ganz zufrieden war. Sie hatte erreicht, was sie sich immer gewünscht hatte: Sie brauchte keine Mitgiftjäger mehr zu fürchten und konnte sich in Ruhe um das Gestüt kümmern.
Sie hoffte sehr, dass der größte Wunsch ihrer Stiefschwester in Erfüllung gehen würde. Eugenia hatte immer von einer erfolgreichen Saison in London geträumt. Deshalb hatte Lady Denby all ihre Freundinnen angeschrieben und sie um Unterstützung gebeten. Gemeinsam würden sie wohl erreichen können, dass man Eugenia in London keine Steine in den Weg legte. Trotz ihrer Verbindung zu der ruinierten Miss Denby würde sie wahrscheinlich zu fast allen wichtigen Bällen in London eingeladen werden.
Im Allgemeinen bereute Caroline nicht, was geschehen war. Obwohl es Nächte gab, in denen sie aus verwirrenden Träumen erwachte und voller Sehnsucht daran dachte, wie wundervoll es sich angefühlt hatte, von starken Armen beschützt zu werden. Sie konnte nicht vergessen, wie Max Ransleigh ihren Nacken geküsst, sie sanft gestreichelt und ihr mit seiner tiefen Stimme beruhigende Worte ins Ohr geflüstert hatte.
Nun, im Laufe der Zeit würde auch diese Erinnerung verblassen …
Da sie wie üblich, wenn sie die Pferde trainierte, Männerkleidung trug, wollte Caroline sich auf dem kürzesten Weg in ihr Zimmer begeben und sich zum Dinner umziehen. Doch sie wurde von Lady Denby aufgehalten, die im Kleinen Salon saß und offenbar auf sie gewartet hatte.
„Caroline, bist du das?“, rief sie. „Ich muss mit dir reden, sofort!“
Hatte sie etwas getan, um ihre Stiefmutter zu verärgern? Besorgt betrat Caroline den Salon. „Ja?“
Lady Denby war so aufgeregt, dass sie im Gegensatz zu sonst kein Wort über die unpassende Kleidung ihrer Stieftochter verlor, sondern nur sagte: „Liebes, ich fürchte, ich habe dir unwissentlich einen sehr schlechten Dienst erwiesen.“
„Was ist passiert?“, erkundigte Caroline sich erschrocken.
Schuldbewusst schaute Lady Denby zu Boden. „Nach dem Vorfall in Barton Abbey habe ich an die Treuhänder geschrieben, die dein ererbtes Vermögen verwalten, um ihnen mitzuteilen, dass du heiraten wirst und dass sie den Text für einen Ehevertrag entwerfen sollen.“
Caroline runzelte die Stirn.
„Zu jenem Zeitpunkt war ich mir ganz sicher, dass du zur Vernunft kommen und letztendlich in die Heirat einwilligen würdest. Vor ein paar Tagen dann, als ich einsehen musste, dass ich dich nicht umstimmen konnte, habe ich einen zweiten Brief verfasst, um den Treuhändern mitzuteilen, dass du Mr Ransleighs Antrag abgelehnt hast. Heute nun habe ich von Lord Woodbury eine Antwort auf dieses Schreiben erhalten.“
„Ich werde nie begreifen, warum Papa ausgerechnet einen Mann wie Woodbury zum Vorsitzenden der Treuhänder gemacht hat“, stieß Caroline hervor. Alles Blut war aus ihren Wangen gewichen. „Ich kann mir vorstellen, wie er auf die Neuigkeit reagiert hat. Er ist so … engstirnig!“
„Er war mit deinem Vater befreundet. Und er verwaltet seinen eigenen Besitz überaus erfolgreich. Da ist es doch verständlich, dass dein Vater glaubte, Lord Woodbury würde sich auch zuverlässig und mit Erfolg um deine Angelegenheiten kümmern.“
„Er mag ja ein guter Geschäftsmann sein. Aber wir alle wissen, dass er stets dagegen war, dass ich das Gestüt leite. Als ich ihn das letzte Mal
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