Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
zu der Zeit in irgendeiner Hinsicht anders als sonst?«
»Sie werden das ja schon gehört haben … Es gab ein
Contretemps … einen höchst bedauerlichen Temperaments-ausbruch, fürchte ich.«
»Das ist mir tatsächlich schon berichtet worden. Aber darauf kommen wir gleich zurück. Er wirkte nicht verwirrt oder hatte eine unklare Sprache? Hat nicht über Kopfschmerzen ge-klagt, Schwäche, Schwindelanfälle, irgend etwas dergleichen?«
Lord DeLancey schüttelte den Kopf. »Nein. Er hatte gerade ein Rennen gerudert – wenn man das so nennen kann, nachdem sich der Steuermann mittendrin übergeben hat. Das Ergebnis können Sie sich ja denken. Die Mannschaft hat sich entsprechend Zeit gelassen, und Basil war noch nicht einmal außer Atem, als sie am Ziel ankamen, was man ja normaler-weise ist. Er war also bei bester Gesundheit, als wir uns trenn-ten.«
»Mir ist klar, daß das schmerzhaft für Sie wird, Sir, aber 139
bitte beschreiben Sie mir doch die Szene, als das Boot vom Ambrose College anlegte.«
»Sie werden dafür sicher jede Menge andere Zeugen ha-
ben«, sagte Seine Lordschaft ärgerlich.
Das stimmte schon. Alec beschloß, nicht darauf zu bestehen. Aber noch ehe er die nächste Frage taktvoll formuliert hatte, fuhr Lord DeLancey fort: »Basil war fürchterlich schlechter Laune und hat sich wie ein Idiot benommen. Ich habe der Sache so bald wie möglich ein Ende bereitet.«
»Ist Mr. DeLancey häufiger – ähem – hat er häufiger so die Fassung verloren?«
»Ist das wirklich alles notwendig, Chief Inspector?«
»Den Charakter eines Opfers richtig einzuschätzen ist oft außerordentlich wichtig, um die Motive des Mörders zu er-klären. Dadurch gewinnt man häufig einen Hinweis darauf, wer es ist. Ich bin überzeugt, daß Sie in diesem besonderen Fall sehen werden …«
»Ja, ja, ich verstehe. Leider muß ich zugeben, daß man meinen Bruder ganz fürchterlich verzogen hat. Basil ist – war –
ein Nachzügler. Er war mehrere Jahre jünger als wir älteren Geschwister, der Lieblung der Mutter und meiner Schwestern«, sagte Lord DeLancey mit verkniffener Miene.
Mal wieder hatte Daisy den Nagel auf den Kopf getroffen!
»Und Lord Bicester?« fragte Alec.
»Das Familienoberhaupt war als Mitglied der Regierung oder dann der Opposition eigentlich dauernd in London. Er hat immer seine Akten mit nach Hause genommen. Ich
fürchte, er hat eher wenig getan, um die Fehler in der Erziehung meines Bruders auszubügeln.«
»Mit anderen Worten, Mr. DeLancey handelte eher impul-siv?«
»Er hat nie gelernt, seine Reaktionen unter Kontrolle zu halten.«
»Also nahm er wenig oder gar keine Rücksicht auf die Ge-fühle anderer.«
»Überhaupt nicht!« Die Bitterkeit in Lord DeLanceys Ton-140
fall legte nahe, daß er nicht nur einmal unter den Fehlern seines Bruders zu leiden gehabt hatte.
»Und es war nicht sehr wahrscheinlich, daß er auf einen guten Rat hört?«
»Er hat immer nur getan, was ihm gerade paßte.«
»Dann würde es Sie auch nicht weiter erstaunen«, legte ihm Alec nahe, »wenn er trotz Ihres Verbotes gestern abend doch im Bootshaus von Bulawayo Wache geschoben hätte?«
Lord DeLancey wurde plötzlich sehr mißtrauisch. »Ich
habe keinen Grund zur Annahme, daß er das getan hätte. Ist das«, er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen – »glauben Sie, daß er dort überfallen worden ist?«
»Möglicherweise. Sie bestätigen also, daß er vorhatte, die Nacht dort zu verbringen?«
»Ja. Er hat so etwas gesagt. Ich habe das aber nicht besonders ernst genommen. Basil hatte es gern gemütlich, und eine Nacht in einem Bootshaus paßt da kaum ins Bild.«
»Allerdings«, stimmte ihm Alec zu. »Vermutlich wußten Sie, warum er das Boot bewachen wollte. Waren Sie anwesend, als die Drohung gegen das Boot ausgesprochen wurde?«
»Ja. Genau in dem Moment, in dem ich meinen Bruder
überreden wollte zu gehen, schwor der Steuermann, er würde sich noch rächen. Aber er hat Basil gedroht. Das galt nicht dem Boot. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie Basil auf die Idee gekommen ist, der junge Mann könnte dem Boot einen Schaden zufügen. Ich hätte von ihm erwartet – also von Basil, meine ich –, daß er sich bald eines Besseren besinnt, denn sein Vorhaben bedeutete ja eine außerordentlich un-bequeme Nacht für ihn.«
»Als Sie zuletzt mit ihm sprachen, hatte er da immer noch vor, Wache zu schieben?«
»Als ich zuletzt mit ihm sprach, das war am …« DeLancey hielt inne und
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