Miss Emergency
in seinem Stuhl zurück. »Dann lassen Sie uns über Ihre Entscheidung reden.«
Ich finde es fast schade. Ich könnte gut noch ein paar Minuten hier so sitzen, mit ihm schweigen und einfach zwei Ãrzte sein â¦
»Für welchen Patienten haben Sie sich entschieden?«
Ich setze die Wärmetasse ab. »Ich habe lange nachgedacht«, beginne ich zögerlich â und dann schnell: »Ich nehme Herrn Ritter. Er mag nicht einfach sein, aber ich schätze Herausforderungen.« Ich sehe ihn abwartend an. Na, wie war das?
Dr. Thalheim nickt. »Herausforderungen«, wiederholt er nachdenklich.
Ich nicke zurück. Und hab das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen. Ich muss ihn überzeugen, dass meine Entscheidung absolut nichts damit zu tun hat, dass Manuel charismatisch und braunlockig und in meinem Alter ist. »Verstehen Sie?«, lege ich nach. »Ich will kämpfen.«
»Ach, kämpfen.« Dr. Thalheim sieht mir tief in die Augen. Er klingt irgendwie enttäuscht. Und in diesem Moment weià ich, dass ich mich falsch entschieden habe. Nicht nur für mich. In den Augen von Dr. Thalheim scheine ich urplötzlich rasant kleiner zu werden. Ich sitze ihm gegenüber und auf einmal ist der Sessel viel zu groà für mich, ich versinke darin, verblasse in meinem viel zu weiÃen Kittel, der schwarze Kaffee auf meiner Zunge ist bitter wie Arsen. Versagerin! Isa hatte recht. Es war ein Test. Und ich habe ihn nicht bestanden. Dr. Thalheim sagt nichts weiter, wünscht nur viel Glück und bietet an, mir jederzeit zu helfen. Dann darf ich gehen. Wie triumphal habe ich mir diesen Moment vorgestellt, wie blöd komme ich mir jetzt vor.
Meine Freundinnen warten auf dem Gang, sie gratulieren und haben mir einen riesigen Vanille-Cappuccino mitgebracht. Dass ich mich irgendwie falsch fühle, können sie nicht recht verstehen.
»Steh doch dazu, dass du ihn aus persönlichem Interesse ausgesucht hast!«, sagt Jenny. »Und wenn Thalheim eifersüchtelt â umso besser.« Dass Dr. Thalheim sicher nicht aus Eifersucht so enttäuscht wirkte, will sie nicht hören.
»Zeig es ihnen beiden!«, rät Isa. »Du schaffst das.«
Ich drücke meine beiden Mutmach-Mäuse, dann trennen sich unsere Wege. Isa und Jenny müssen sich von der biestigen Stationsschwester die Kanülenwagen vor die FüÃe schieben lassen â und ich statte meinem ersten eigenen Patienten den ersten offiziellen Besuch ab.
»So, Herr Ritter«, sage ich forsch. »Ab heute bin ich deine Ãrztin.«
»Wieso?«, grinst er. »Hast du heute Nacht dein Examen bestanden?«
Ich hole tief Luft. Du hast es so gewollt, Lena. Kämpfen. Jetzt los! Du beweist als Erstes deine neue Souveränität, indem du die Sprüche ignorierst!
Ich klappe die Akte zu; die Befunde der gestrigen Computertomografie sind unauffällig. Wahrscheinlich waren ManuelsÃbelkeitsanfälle der fehlenden Schonung zuzuschreiben. Trotzdem, ein, zwei Untersuchungen zur Sicherheit werde ich schon noch anordnen. Ich sehe auf, um ihm das mitzuteilen. Mein Blick fällt auf das kuschelige Bärchen neben seinem Kopfkissen. Verdammt, den Teddy hatte ich glatt vergessen! Mein entsetzter Blick hat mich wohl entlarvt â Manuel grinst.
»Vielen Dank! Auch wenn ich gehofft hatte, dass du meinen fehlenden Teddy anders ausgleichst. Aber der hier ist trotzdem ein Anfang.« Er lächelt selbstsicher.
Na klar, er ist der Typ, dem kleine Mädchen Kuscheltiere kaufen. Oder nachwerfen. Vor meinem inneren Auge blitzt das Bild einer riesigen Bühne auf, Manuel in seinem blütenweiÃen Bett wird von zahllosen Scheinwerfern angestrahlt. Und unten drängen sich kreischend Tausende von winzigen, minderjährigen Ãrztinnen; sie flippen völlig aus und schleudern ganze Armeen von Kuscheltieren zu Manuel hinauf, bis nur noch sein zufriedenes, geschmeicheltes Grinsen aus dem Plüschberg herausschaut. Manuel war früher sicher immer der einzige Junge, der auf Mädchengeburtstage eingeladen wurde. Und du bist voll drauf reingefallen, Lena. Manuels Lächeln sagt »Ich wusste, dass du mir nicht widerstehen kannst«. Hätte ich bloà den blöden Teddy im dunklen Ladenregal verstauben lassen! Zu spät, jetzt brauch ich eine neue Strategie, um ihm den Unwiderstehlichkeits-Zahn zu ziehen. Was macht die kluge Frau von heute? Na klar, sie stellt sich
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