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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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Art.Temperament, Unbekümmertheit und immer den passenden Spruch parat – hat sie nicht alles, was man sich wünscht? Jonas, der Architekturstudent, ist dankenswerterweise so höflich, nicht allzu begeistert auf Jennys Rundumflirt einzugehen. Er unterhält sich mit mir über die Berliner Altbauten. Kurz warnt mein Gedankenteufel, dass ich Jenny Manuel lieber nicht vorstellen sollte. Quatsch, Lena, sie kennt ihn doch! Sie findet ihn sogar süß. Sie will ihn nicht. Doch was ich tun würde, wenn es anders wäre, macht mir für eine Sekunde Kopfzerbrechen. Meine Chancen wären wohl eher schlecht. Wer konkurriert schon mit Jenny? Wie stünde es zwischen den beiden, wenn Manuel IHR zugeteilt worden wäre? … Brems dich, Lena! Päppelst du hier einen Neid-Komplex auf? Jenny lacht mich an und schenkt mir Wein nach und ich schäme mich.
    Isa scheint den Abend wider Erwarten auch zu genießen. Wie ich gehofft habe, ist die Anwesenheit des freundlichen Tom genau der beruhigende Ausgleich, den sie braucht. Als die drei Herren zur Tür hereinkamen, fiel Isa fast vom Stuhl vor Schreck. Man konnte ihr den Schock nur zu deutlich vom Gesicht ablesen. (Männer! Unterhaltung!) Die ersten zehn Minuten hat sie mit niemandem geredet und ich befürchtete schon das Schlimmste. Bei ihrer letzten Begegnung mit Tom (in der denkwürdigen Nacht im Turnverein) hat sie sich doch schon ganz ungezwungen mit ihm unterhalten! Sollten durch die heutige Pleite alle Fortschritte wieder vernichtet sein? Aber Isa fing sich, als klar wurde, dass Jenny keineswegs vorhatte, sie in den Mittelpunkt des Abends zu stellen. (Ich weiß nicht mal, ob Jenny das könnte; der Mittelpunkt scheint doch ihr natürlicher Platz zu sein.) Je wilder Jenny aufdrehte, desto gelassener wurde Isa. Inzwischen plaudert sie locker mit Tom und – oh, jetzt habe ich dem Architekturstudenten bestimmt fünf Minuten nicht mehr zugehört …
    Im späteren Verlauf des Abends wird die Stimmung noch richtig ausgelassen. Jenny möchte Karaoke singen und ist mit diesem Vorschlag glücklicherweise allein. Aber für eine Runde Twister sind wir alle in der passenden kindischen Stimmung. Ich bin imgesamten Verlauf meiner Kindheit nie mit diesem Spiel konfrontiert worden und habe eindeutig die falschen Hosen an für so viel Körpereinsatz. Aber im Notfall halte ich es wie Isa, die vor den Anweisungen mit zu viel Körperkontakt einfach aufgibt und sich fallen lässt. Jenny gibt natürlich nie auf und am Ende sitzen wir zu viert neben dem Spielfeld und amüsieren uns köstlich über ihre Verrenkungen um und über Ron. Als die drei Jungs sich nach Mitternacht verabschieden, ist Isas Stimmung deutlich besser. Ich ermutige sie, am Montag einfach offen mit Dr. Thalheim zu reden. Vor dem hat sie doch sicher keine Angst?! Der wird ihr bestimmt helfen! Schließlich habe ich wohl einmal zu oft »Dr. Thalheim« gesagt, denn Jenny fragt mich grinsend, ob ich jetzt etwa meinem Radkurier-Patienten untreu würde. Ich werfe ein Sofakissen nach ihr und schwöre mir, in Zukunft meine Begeisterung und meine Zunge etwas besser im Zaum zu halten.
    Das Wochenende ist herrlich entspannt. Ich begleite Isa wie versprochen zu einigen ihrer angekreuzten Veranstaltungen. Bei der Theaterpremiere am Samstagabend wird viel geschrien und mit Bühnenblut gespritzt – ein bisschen zu dick aufgetragen für meinen Geschmack, aber vor uns sitzt der Kultusminister mit seiner Entourage und findet es prima. Auf dem Flohmarkt entdecke ich eine traumhafte alte Lampe, die nach einer kurzen aber heftigen Dekontamination ihren Platz neben meinem Bett einnimmt, als hätte sie ihr Leben lang nur auf mein Zimmer gewartet. Nur auf den Vortrag in der japanischen Botschaft verzichte ich – ich weiß echt nicht, was Isa sich davon erwartet. Am meisten genieße ich die Fahrten durch Berlin. Im Bus komme ich kaum dazu, mich zu unterhalten, so sehr fasziniert mich das Straßenleben. Abends mit der S-Bahn durch die Stadtmitte zu fahren, ist das Schönste. Die Reichstagskuppel ist erleuchtet, die Spree funkelt, überall drängen sich die Menschen. An der Friedrichstraße steigen Damen in glitzernden Kostümen ein, am Alex schieben sich die schrill gestylten 16-Jährigen aus dem Wagen und ein S-Bahn-Musiker singt für uns »Heart of Gold« (und im Unterschied zu vielen seiner Kollegen auch noch

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