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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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stand?! Lena – niemand hier käme auf die absurde Idee, der Oberarzt könnte ein heimliches Interesse an dir haben! Außer …
    Â»Siehst du«, grinst Ruben, »da lag ich wohl richtig.«
    Ich weiß, dass das ganz und gar absurd ist, aber schmeichelhaft ist es natürlich trotzdem. Und als perfekte Ergänzung zum allgemeinen Wohlgefühl des Tages lasse ich es mir doch gefallen.
    Nach all dem positiven Anlauf ist der Absprung nicht schwer. Ich wage es zwar nicht, im Arztzimmer grundlos an den Computer zu gehen – aber als ich sehe, dass das Schwesternzimmer leer ist, trete ich wie selbstverständlich ein und greife nach Manuels Akte. Das war doch einfach! Hier ist sein Patientenbogen; Adresse, Telefonnummer, alles ist da. Ich schreibe alles auf einen kleinen Zettel ab und stelle die Akte zurück. Fast schade, dass es so leicht ging; erst macht man sich heiß und dann ist überhaupt keine Geheimniskrämerei notwendig – da fühlt man sich schon ein klein wenig albern.
    Thalheim kommt herein, als ich gerade vom Aktenschrank zurücktrete. Und ich kann nicht mal sagen, ich hätte das nicht irgendwie geahnt.
    Â»Schwester Klara?«
    Nein, Dr. Thalheim, hier ist keine Klara. Hier ist nur eine mäusegroße PJlerin, die gern chamäleonartig die Farbe des Aktenschranks annehmen würde. Thalheim fragt, was ich suche; ich antworte, ich hätte schon alles gefunden. Stimmt ja. Er hakt nach. »Aber was suchten Sie?« Hartnäckig. Also lüge ich ihn ein bisschen an. Er hat es provoziert. Ich behaupte, ich hätte in Schwendlers Akte etwas nachsehen müssen, weil ich ihn in der Fallbesprechung vorstellen soll. Das immerhin stimmt wieder. »Und der Computer im Arztzimmer war besetzt.« Auch das stimmt! Thalheim sieht mich an, ruhig. Ich glaube, ich werde rot.
    Â»Sie selbst haben den Patienten gestern aufgenommen, oder? Sollten Sie sich die Einzelheiten nicht wenigstens einen Tag merken können?«
    Oh, Mann, hast du das nötig?! Darf man kontern, dass Dr. Ross, SEINE Stationsärztin, selbst zugegeben hat, dass sie sich nach der Diagnose gar nichts mehr merkt? Eher nicht. Ich nicke also brav. Dr. Thalheim schaut mir in die Augen – und ich kann sehen, was er denkt. Wenn ich dich jetzt frage, was du nachgelesen hast, weißt du keine Antwort. Ja, ja, ist ja gut. Wenn er mich noch eine Sekunde so anschaut, gestehe ich von ganz allein, dass ich mir private Patientendaten beschafft UND ihn belogen habe. In meinem Hirn rattern die Schwendlerdaten von gestern herum – was könnte ich nachgesehen haben, worauf ich die Antwort noch weiß?? Hilfe! Dr. Thalheim fragt nicht. Er sieht weg.
    Â»Wissen Sie, Fräulein Weissenbach, was in unserem Beruf ganz wesentlich ist? Das Gespür.« Damit will er gehen.
    Aber er KANN nicht wissen, was ich nachgesehen habe. Er blufft. Und wenn du das jetzt auch tust, Lena, kannst du dich noch aus der Affäre ziehen. Ich wage es und frage unschuldig: »Was meinen Sie?«
    Er dreht sich um. Ha, du weißt vielleicht, dass ich dich beschwindelt habe, aber ich werde eisern leugnen und du KANNST nicht wissen, was ich wirklich gemacht habe. Du bist vielleicht der Oberarzt, aber nicht der allwissende Stationsgott! Ha!
    Â»Ich meine nur, dass Sie Ihren Feinsinn entwickeln sollten«, sagt er knapp. »Dazu gehört, dass Sie sich Patientendaten automatisch einprägen. Aber auch, dass Sie lernen, Ihre Vorgesetzten einzuschätzen.«
    Mist. Jetzt hab ich doch das Gefühl, verloren zu haben. Komm, sagt mein innerer Optimismusteufel, pfeif auf den Oberarzt! Du hast Manuels Nummer, den rufst du nachher an. Außerhalb der Klinik hat Thalheim gar nichts zu bestimmen.
    Nach der Mittagspause werde ich Zeuge einer weiteren unangenehmen Arztbegegnung – oder vielmehr Nicht-Begegnung.Diesmal trifft es zur Abwechslung nicht mich, sondern Isa. Als wir von der Cafeteria zur Station zurückgehen, tönt plötzlich der straffe Bass von Dr. Dr. Kreuz über den Gang. Chefarzt im Anmarsch. Er kommt um die Ecke, ins Gespräch mit einem der Ärzte vertieft. Ich grüße höflich. Dr. Kreuz nickt knapp, auch der andere Arzt grüßt, sie gehen weiter, ohne ihr Gespräch zu unterbrechen. Ich drehe mich zu Isa um. »Na siehst du, er hat dich schon vergessen.«
    Isa ist weg. Ich komme mir vor wie im Trickfilm – fast kann ich noch ihre Silhouette in der Luft erkennen,

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