Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
Ovations, 17 Verbeugungen lang!)
»Siehst du«, sagt Alex, als er mich von der Bühne hebt. »Ich hab’s doch gesagt. Was immer du tust …« Er schreit nicht frenetisch. Aber es ist fast schöner als die tausend Brüller.
Die Band geht zu langsamen Liedern über, Jenny und Felix tanzen.
Es sieht verliebt aus. Vielleicht habe ich mich getäuscht. Und Jenny kann es tatsächlich. Verzeihen. Neu anfangen.
Doch dann fange ich über Felix’ Schulter Jennys Blick auf. Er wirkt beunruhigend nachdenklich. Nicht, als ob sie mit ihm tanzt, weil sie ihm nah sein möchte. Sondern als ob sie es tut, damit er nah bei ihr bleibt.
Um Mitternacht lassen wir Isa hochleben. Dann erfüllen wir ihren ersten Geburtstagswunsch, der darin besteht, dass wir nach Hause fahren. Weil sie Schlaf braucht. Endlich mal wieder Schlaf.
In der Nacht wache ich von beunruhigenden Geräuschen aus dem Badezimmer auf. Isa übergibt sich. Fast eine halbe Stunde lang hört es nicht auf.
Am Morgen zwingen wir sie, endlich zum Arzt zu gehen.
»Aber es ist mein Geburtstag«, wehrt sie sich.
Doch wir sind unerbittlich. »Eben deswegen«, erwidert Jenny. »Du machst dir so viele Sorgen um die Prüfung, dass du davon krank wirst – und dann noch mehr Sorgen, WEIL du krank bist. Also kannst du kein besseres Geburtstagsgeschenk bekommen, als endlich wenigstens die zweite dieser Sorgen los zu sein.«
»Wenn ihr echte Freundinnen wärt«, jammert Isa, »würdet ihr mir die ERSTE abnehmen. Und für mich diese Prüfung erledigen.«
»Das kannst du selbst tun«, widerspreche ich. »Sobald du wieder gesund bist … « Mit zuckersüßem Lächeln halte ich ihre Strickjacke auf.
Isa seufzt. »Toller Geburtstagsfrühstücksersatz.«
»Geburtstagsfrühstück gibt’s danach. Ich verspreche, du wirst es viel mehr genießen, wenn du endlich weißt, was los ist.«
»Zur Feier des Tages fahre ich dich …«, grinst Jenny – und wartet auf Isas wohlerzogen-dankbares, aber gequältes Lächeln, bevor sie ergänzt: »… mit dem Taxi hin.«
»Danke«, haucht Isa.
Dann nehmen wir sie in die Mitte und brechen auf zu unserem ungewöhnlichsten, aber notwendigsten Geburtstagsausflug.
»Aber nicht ins Sankt Anna!«, flüstert Isa erschrocken, als wir im Taxi sitzen. Nein, so gedankenlos sind wir nicht. Jenny hat einen Termin bei ihrem Allgemeinarzt gemacht, auf den sie Stein und Bein schwört, weil er ihr im Notfall auch Schulbefreiungen ausgestellt hat, obwohl er wusste, dass sie »nur eine Pause braucht«. Und weil in seinem Wartezimmer eine so schöne Skulptur steht. Ein schlafender Buddha in beinahe-Lebensgröße.
Man merkt Isa an, dass sie das nicht unbedingt für eine unübertreffliche Qualifikation hält, aber mit allem zufrieden sein will, solange wir sie nicht ins Sankt Anna schleppen.
Die Buddha-Skulptur ist wirklich schön. Sie nimmt ein Viertel des Wartezimmers ein. Aber es ist sehr entspannend, dem Buddha bei seinem immerwährenden Schlaf zuzusehen. Ich habe ausgiebig Zeit, ihn zu betrachten. Denn wir verbringen eine geschlagene Stunde im Wartezimmer, ohne dass Isa wieder auftaucht.
Als ich allmählich beginne, mir Sorgen zu machen und Jenny grade nachfragen will, ob alles in Ordnung ist, kommt Isa aus dem Behandlungszimmer. Knallrot im Gesicht. Offenbar unfähig zu sprechen, winkt sie uns eilig hinter sich her und stürmt hinaus.
Wir rennen ihr nach, holen sie aber erst auf der Straße ein.
Isa lehnt an der Hauswand und lacht. Kein schönes Lachen. Ein total überdrehtes. Sie ist vollkommen hysterisch.
»Er wollte mir überhaupt nicht glauben, dass ich Medizinstudentin bin«, japst sie. Vor Lachen laufen ihr die Tränen über das Gesicht. »Weil ich selbst nicht zu so einer simplen Diagnose fähig war!«
Sie lacht immer weiter. Die Tränen laufen immer schneller. Ist das der Moment, in dem ich sie ohrfeigen sollte, damit sie wieder zu sich kommt? Ich versuche es erst mal ohne Gewalt, fasse sie an den Schultern und frage beinahe sanft, was verdammt noch mal mit ihr los ist.
»Ich bin schwanger«, sagt Isa. Und dann hört das Lachen auf und nur die Tränen bleiben übrig.
Ich kriege keine Luft, ich muss mich setzen. Im nächsten Moment sitzen wir alle drei an die Hauswand gelehnt auf der Straße. Vier. Wir alle vier.
Als Erstes kommt die Erinnerung an den Geruch. Babygeruch. Daran, wie ich im Gynäkologie-Tertial manchmal Aufgaben erfunden habe, um eins der Babys noch ein wenig halten zu dürfen. Dann die Erinnerung an den Kreißsaal. Das
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