Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Neugier.
»Nichts!«, beteuere ich und sehe ganz deutlich, dass sie mir nicht glaubt.
Das Konzert ist klasse, die Band in Hochform. Als mein Paulette-Einsatz kommt, bin ich so übermütig, dass ich diesmal rückwärts auf die Gitarre einklimpere wie ein alberner Jimi-Hendrix-Verschnitt. Und nicht mal der johlende Applaus macht mich verlegen. Meine Mädels staunen mich an. Na klar, so kennen sie mich definitiv nicht. (Aber zu meiner Entschuldigung: Die Rückwärtsgitarristin ist ja nicht ihre brave Freundin Lena – das ist die verrückte Paulette!)
Isa tut es schrecklich leid, dass Tom diesen Abend nicht erlebt. Und die Tom-Tom-Tom-Wiederholungen, die sich durch das Gespräch ziehen, machen mir Hoffnung, dass bei meinem Vorbild-Paar wieder ungetrübter Sonnenschein herrscht.
Bei Jenny und Felix aber ist heute irgendwas nicht in bester Ordnung. Jedenfalls was Jenny betrifft. Sie wirkt seltsam launisch. In einem Moment tanzt sie so vertraut und verliebt mit Felix, dass ich Ausschau nach den Geigen halten möchte, die über ihren Köpfen schweben müssen. Im nächsten Augenblick sitzt sie allein am Rand, raucht und betrachtet Felix, der mit den Band-Jungs herumalbert, als hätte sie ihn noch nie gesehen. Mir wird ein wenig mulmig, wenn ich mir vorstelle, worüber sie wohl nachdenkt.
Irgendwann fragt Felix Jenny, ob sie gehen möchte. Immerhin ist morgen ein ganz normaler Arbeitstag. Sie zuckt mit den Schultern. Felix lächelt lieb; er braucht nicht viel Schlaf, wenn Jenny mag, können sie auch noch bleiben.
»Oder du gehst und ich bleibe noch«, schlägt Jenny vor, irgendwie angekratzt. Felix lacht.
»Warum? Ich bin noch wach!«
»Weil dass ICH müde bin, doch nicht immer heißt, dass DU gehen musst!«, entgegnet Jenny etwas harsch. Gerade hat sie noch das Gegenteil behauptet. Was ist denn nur los mit ihr?!
Felix grinst. »Red keinen Quatsch, Baby! Entscheid dich einfach!«
Jenny verdreht die Augen und hängt sich bei ihm ein. »Vergiss es«, seufzt sie lächelnd. »Komm, wir gehen.«
Isa hat nur darauf gewartet, dass jemand aufbricht; sie ist kein Spielverderber, rechnet aber insgeheim sicher schon seit zwei Stunden nach, wie viel Schlafenszeit ihr wohl noch bleibt. Sie schließt sich den beiden an.
Ich habe noch keine rechte Lust zu gehen, meine Freunde beteuern, sie würden ein Taxi nehmen und Alex verspricht, mich sicher und nicht ZU spät heimzubringen.
Die drei verabschieden sich. Unglaublich: Ich bin schon wieder übrig im Berliner Nachtleben!
Jenny und Felix laufen Arm in Arm; als sie den Club verlassen, sehen sie aus wie ein normales Liebespaar, das nach einem schönen Abend gemeinsam nach Hause geht. Aber ich spüre ganz genau, dass mit Jenny irgendwas nicht stimmt.
Nachdem wir gebührend mit der nach dem Auftritt nicht mehr abstinenten Band angestoßen haben, werde auch ich vernünftig. Fünf Stunden Schlaf sollte ich schon noch bekommen.
Alex bringt mich heim, begleitet mich zur Haustür und freut sich ganz offen, als ich ihm für die Einladung und den tollen Abend danke.
Bei der Verabschiedungsumarmung hält er mich einen Moment an den Schultern fest und sagt: »Du hast wirklich irre blaue Augen!«
Das liegt sicher am grellen Neonlicht der Ladenbeleuchtung nebenan. Flapsig antworte ich: »Ach, die kann ich auch zumachen.« Er grinst.
Ich klappe die Augen zu. Es sollte nur ein Scherz sein.
Doch gerade als ich die Augen wieder öffnen will, küsst er mich.
Nein, Lena! Wie konnte das passieren?!
Tja, was glaubst du denn?! Bist du wirklich nicht in der Lage, auch nur 20 Sekunden vorauszudenken?! Denn das hättest du vor einer Zehntelsekunde mal lieber tun sollen! Ein Scherz unter Freunden! Nee, meine Liebe: Felix hätte Alex bestimmt nicht vorgeschlagen, mit geschlossenen Augen unter einer Laterne zu stehen. Moment, das Problem fängt noch viel früher an: Alexhätte es wahrscheinlich nie für nötig gehalten, eine Bemerkung über die Intensität von Felix’ Augen zu machen. Dabei hat Felix wirklich SEHR strahlende Augen …
Hallo?! Realität an Lena, bitte kommen! Ich weiß, ich wirke gerade sehr unglaubwürdig, aber ich bin es: die Wirklichkeit. Du stehst hier tatsächlich mit deinem Möchtegern-besten-Freund und IHR KÜSST EUCH! Also wenn du die Gedankenrakete kurz von der völlig absurden Spekulation über die Augen des Freundes deiner Freundin auf das umlenken könntest, was hier gerade … WIE? Wir küssen uns‹?
Ja. Das tun wir. Denn ich küsse zurück. Das macht man doch
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