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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rothe-Liermann Antonia
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behauptet, bei zwei so unterschiedlichen Typen wäre die Entscheidung kompliziert und fundierte Abwägung notwendig. Da wir sie lange genug kennen, versuchen wir nichtmehr allzu engagiert, sie von der Paralleldate-Strategie abzubringen und Isa nimmt ihr nur das Versprechen ab, keinen der beiden unnötig hinzuhalten. Jenny lacht, verspricht es aber wenigstens so halb, indem sie erklärt, sich sowieso entscheiden zu wollen, bevor das Ganze in Stress ausartet. »Übrigens, ich habe einen ›Hello Kitty‹-Notizblock vor dem Haus gefunden«, lacht sie plötzlich und hält mir das aufgeweichte Heftchen hin. »Das ist doch sicher deiner. Musst du dir immer noch aufschreiben, wo wir wohnen?«
    Ich nehme ihr den rosa glitzernden Block weg und will gerade von meinem Schlüssel-Erlebnis und seinen romantischen Folgen erzählen … als sich mir der unangenehme Gedanke aufdrängt, dass mein Kätzchenheft wahrscheinlich die ganze Zeit zu Thalheims Füßen lag, während wir uns geküsst haben. Ich könnte wetten, dass er es gesehen hat. Na toll, dann konnte er sich ja gleich eine erstklassige Vorstellung von meiner geistigen Reife machen. Ach so, und sein liebevolles »Gute Nacht, Kätzchen«, das in meinem Herzen bis eben nur nach etwas unbeholfener Zärtlichkeit klang, kriegt jetzt auch eine andere Bedeutung. Hmpf. Warum hat Romantik bei mir immer gleich Peinlichkeiten im Schlepptau? Ist DAS gerecht?!
    Weil wir den ganzen Abend mit der Besprechung meines Thalheim-Arrangements verplappern, sind wir am nächsten Morgen so spät dran, dass wir erst fünf Minuten vor acht unsere Spinde erreichen. Hastig schlüpfen Isa und Jenny in die Kittel und ich werfe noch kurz einen Kontrollblick in den kleinen Spiegel am Ausgang. Heute Morgen habe ich meine Privatkleidung sorgfältiger als sonst ausgesucht. Schließlich habe ich berechtigte Aussicht darauf, dass mich ein attraktiver Oberarzt nach Feierabend in sein Auto lädt. Also trage ich heute ausnahmsweise ein Kleid – zwar ein überknielanges und vormittagstaugliches Strickkleid, aber immerhin. Bisher kennt er mich ja nur in Jeans und Pulli und ich würde gerne mal einen weiblich-erwachseneren Eindruck machen, gerade nach der Hello-Kitty-Offenbarung gestern. Das Kleid ist nicht übermäßig praktisch, aber wen interessiert das?! Ich muss nur kontrollieren, dass ich mich zuHause nicht verschätzt habe und das Kleid auch ausreichend unter dem Kittel hervorschaut, damit ich nicht aussehe, als habe ich einfach vergessen, irgendwas anzuziehen. Der erste Eindruck vor dem Spiegel ist: Prima. Das Kleid guckt genau eine Handbreit raus. Auf den zweiten Blick sehe ich, dass da ein Fleck ist. Kaffee. Direkt unten am Saum. Verdammt, das war der Grund, warum das Kleid ganz vorne hing. Ich wollte es reinigen lassen. Na toll.
    Entsetzt frage ich meine eiligen Freundinnen um Rat. Fehlanzeige. Isa ist ohnehin schon ganz zappelig, es ist drei vor acht. Jenny ist zwar gutwilliger, aber auch ratlos. Isa hat eine Ersatzstrickjacke im Spind. Mehr Garderobe ist nicht verfügbar. Und die Strickjacke ist zu kurz. Ich schicke die Mädels voraus; wenn nur eine von uns zu spät kommt, fällt das in der morgendlichen Wagenverteilung nicht so auf. Dann rücke ich mit fliegenden Fingern und lauwarmem Wasser dem Kleid zu Leibe. Ein hektischer Blick zur Uhr: zwei nach acht. Ich entscheide, dass ich nicht mehr für mein Kleid tun kann und nicht mehr gegen meinen Ruf auf der Station tun sollte und stürme nach oben. Vier nach acht.
    Leider hatten wir keine Ahnung, dass der heutige Arbeitstag ausnahmsweise mal NICHT mit Wagenverteilung beginnt. Als sich die Aufzugstür öffnet, blicke ich zuerst in die entsetzten Gesichter meiner Freundinnen – und dann in die eisblauen Augen von Dr. Thiersch. Sie hat die anderen PJler um sich versammelt und sieht wieder aus, als entsteige sie morgens keinem Bett, sondern einer Frischhaltebox. Zwar macht sie keine Bemerkung über mein Zuspätkommen, doch das muss sie auch nicht: Ihr Blick spricht Bände. Schamesrot reihe ich mich ein. Jenny zwinkert mir aufmunternd zu, doch mit Dr. Thiersch habe ich es mir wohl mindestens für heute verdorben. Sie räuspert sich und setzt ihre durch eine unpünktliche PJlerin unterbrochene Ansprache fort. »Der Meniskus macht den Anfang. Hier assistieren …«, ihr Blick streift über die eifrigen Mienen, »Sie!« Ein perfekt manikürter Nagel deutet auf die Einzige, die nicht begehrlich aufzeigt: Isa. »30 Minuten, das werden Sie ja wohl

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