Miss Emergency
dass du DIESEN Moment kaputt machst!) »Das Blödeste an Dr. Thierschs Gemeinheitsüberfall heute Mittag war eigentlich, dass du dabei gewesen bist«, sage ich vorsichtig, ganz Mädchen.
Er drückt mich an sich, seufzt. »Ich weiß. Es tut mir leid.«
Ich sehe ihn an und bemühe mich um ein paar Rehaugen, für die Jenny bestimmt sehr stolz auf mich wäre. »Wird das denn jetzt immer so sein?«
Dr. Thalheim ist kein Mann großer Worte. Doch es wird ganz deutlich, dass seiner Meinung nach niemand, niemand, niemand von uns erfahren sollte. Nicht mal Isa und Jenny. (Hm. Dafür ist es wohl zu spät.) »Es ist nicht gut, Lena. Ich kenne die Klinik seit Jahren. Sie werden sich darauf stürzen wie eine Horde Wildschweine!« Er sieht in den Nachthimmel und wirkt plötzlich entsetzlich einsam. »Weißt du, was sie über dich sagen werden? Nichts, was du erreichst, werden sie mehr dir zuschreiben, nichts mehr anerkennen. Glaub mir, in unserer Branche geht es viel zu wenig darum, was du kannst; dein Ruf ist entscheidend. Diese Sache hier kann dir die ganze Karriere verderben. Das würde ich mir nie verzeihen.«
Nett, dass er mir eine Karriere prophezeit. Trotzdem! Er fasst um mich herum, gießt Kaffee nach, drückt mir den Becher wieder in die Hand. Ich lehne an seiner Brust, ganz eingehüllt in das wohlige Gefühl und denke die ganze Zeit: So sollen alle Tage sein! Ich will das hier immer haben! Plötzlich kommt es mir vor, als hätte ich mein halbes Leben darauf gewartet.
Er drückt mich an sich, ich spüre sein Atmen ganz nah. »Ich wünschte, wir könnten einfach hierbleiben«, sagt er leise. Genau das habe ich gemeint.
Irgendwann ist der Kaffee alle, der Mond steil nach oben gewandert und der U-Bahn-Takt in unserem Rücken gemächlicher geworden. Wir haben schon eine Weile nichts mehr gesagt, es ist, als wollten wir beide den Abend nicht vergehen lassen und könnten das Voranschreiten der Zeit durch pure Ignoranz irgendwie bremsen.
Schließlich aber schaut er doch zur Uhr – und seufzt. »Wir müssen gehen.« Ich weiß. Ich fühle mich klein und traurig, als er die Decke zusammenlegt. Wie ein Kind am Sonntagabend; das Wochenende ist vorbei und man hat das triste Gefühl, absolut nicht genug davon gehabt zu haben. Still steigen wir die Böschung wieder nach oben, auf der Straße empfängt uns das Licht der Hochhäuser jenseits des U-Bahnhofs, wir sind wieder in der Realität. Schweigend fahren wir durch die Stadt, er setzt mich vor meinem Haus ab, küsst mich ein letztes Mal. Noch mindestens 20 Stunden, bis ich ihn wieder für mich haben kann.
»Lass uns das wieder machen«, sagt er leise. »Lass uns versuchen, uns einfach die wenige Zeit, die wir haben, so schön wie möglich zu machen.« Das ist ein Versprechen. Endlich.
Als ich verfroren nach oben komme, bin ich idiotisch glücklich.
K atastrophe«, flüstert Jenny, als ich in der Küchentür stehe. Sie trägt eine Kapuze – und darunter vermutlich einen fliederfarbenen Albtraum. Isa sitzt am Tisch und macht ein sehr besorgtes Gesicht. Jenny verdreht die Augen. Mit einem Ruck ziehe ich ihr die Kapuze vom Kopf. Doch Fehlanzeige. Jennys Haare sind wie immer, knisternd und beneidenswert goldblond. Sie sieht mich vorwurfsvoll an. »Glaubst du, ich laufe ernsthaft in Lila rum, wenn es nicht der Stimmungsaufhellung meiner Freundin dient? Ich hätte das nur für dich getan, aber du strolchst ja bis spät in die Nacht mit deinem Doktor herum und lässt dir die Chance entgehen!« Ist ja gut – kann ich jetzt endlich erfahren, was die Katastrophe ist?! Ich setze mich zu Isa und bemerke erschrocken, dass sie geweint hat. Was ist denn los?!
»Tom …«, haucht sie mit dünner Stimme. Oh Gott, hatte er einen Unfall, hat er sie verlassen, ist er verhaftet worden? Isa sieht mich aus großen Augen an. »Er hat einen Job.«
Ich starre sie an. Warum ist das noch mal ein Grund zu weinen? Ist es ein Job bei der Mafia? In der Pornovideothek? Als Giftstoffentsorger? Ich versuche, Isas unerklärlicher Traurigkeit angesichts des Berufseinstiegs ihres Liebsten mit Albernheit zu begegnen. »Hast du gehofft, du könntest ihn zum Hausmann machen und von deinem Taschengeld leben lassen?« Isa wirkt verletzt. Das ging daneben, Lena. »Was ist es denn für ein Job?«
»Ein toller«, seufzt Isa. »In München.«
Alles klar. Unserem Sonnenscheinpaar steht eine Trennungins Haus. Von Jenny, die für Sentimentalitäten eher wenig übrig hat, erfahre ich, dass Tom eine begehrenswerte
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