Miss Lonelyhearts
nicht deine Kinder und nicht deine Schinder, zwischen den trächtigen Reihen von Korn und Kartoffeln. Dein Schritt wird zu dem schweren geschlechtlichen Schritt eines vom Tanz berauschten Indianers, und du trampelst die Saat in die weibliche Erde. Du pflanzt keine Drachenzähne, sondern Bohnen und Grünzeug …
Na, was meinst du, lieber Freund, soll es die Scholle sein?»
Miss Lonelyhearts gab keine Antwort. Er dachte daran, wie Shrike seine Krankheit befördert hatte, indem er ihm beibrachte, seinen einzigen Ausweg, Christus, mit einem dicken Handschuh aus Worten anzufassen.
«Ich interpretiere dein Schweigen so, dass du dich gegen die Scholle entschieden hast. Einverstanden. So ein Leben ist zu stumpfsinnig und anstrengend. Wenden wir uns jetzt also der Südsee zu.
Du wohnst in einer Strohhütte mit der Königstochter, einer ranken jungen Maid, aus deren Augen uralte Weisheit spricht. Ihre Brüste sind goldene getüpfelte Birnen, ihr Bauch ist eine Melone, und ihr Duft gleicht am ehesten dem Dschungelfarn. Abends auf der blauen Lagune unter dem Silbermond schnullerst du deiner Liebsten in den sa–anften Säu–äusellau–auten ihrer schma–achtenden Spra–ache etwas vor. Dein Körper ist so goldbraun wie der ihre, und Touristen benötigen den empörten Finger des Missionars, um auf dich hinzuweisen. Sie beneiden dich um deinen Lendenschurz und dein sorgloses Lachen und die kleine braune Braut und die Finger statt der Gabel. Doch du erwiderst ihren Neid nicht, und wenn eine entzückende junge Schöne nachts in deine Hütte kommt, um das Geheimnis deines Glücks zu ergründen, schickst du sie auf ihre Jacht zurück, die wie ein nervöses Rennpferd vor dem Horizont liegt. Und so verbummelst du deine Tage, angelst, jagst, tanzt, schwimmst, küsst und pflückst Blumen, um sie dir ins Haar zu flechten …
Na, lieber Freund, was hältst du von der Südsee?»
Miss Lonelyhearts versuchte ihn zum Aufgeben zu bewegen, indem er tat, als schliefe er.
Shrike ließ sich jedoch nicht hinters Licht führen. «Wieder Schweigen», sagte er, «und wieder hast du recht. Die Südsee hat ausgespielt, und es ist zwecklos, es Gauguin nachzutun. 29 Doch Kopf hoch, wir haben gerade erst die Oberfläche des Themas angekratzt. Wenden wir uns jetzt dem Hedonismus zu, oder ‹Nimm das Bargeld und gib keinerlei Kredit.› 30 …
Du widmest dein Leben also dem Streben nach Vergnügungen. Keine Zügellosigkeit, wohlgemerkt, denn da du weißt, dass dein Körper eine Lustmaschine ist, gehst du behutsam mit ihm um. Golf ebenso wie Schnaps, Philadelphia Jack O’Brien und seine Stemmgewichte 31 ebenso wie spanische Tänzerinnen. Auch die Freuden des Geistes vernachlässigst du nicht. Du pimperst unter Gemälden von Matisse und Picasso, du trinkst aus Renaissancegläsern, und oft verbringst du einen Abend am Kamin mit Proust und einem Apfel. Ach, nach einer Menge Spaß kommt der Tag, da dir klar wird, dass es ans Sterben geht. Du beißt die Zähne zusammen und beschließt, eine letzte Party zu geben. Du lädst all deine alten Mätressen, Trainer, Künstlerfreunde und Saufkumpane ein. Die Gäste sind in Schwarz gekleidet, die Kellner sind Nigger, der Tisch ist ein für dich persönlich von Eric Gill 32 gestalteter Sarg. Du lässt Kaviar servieren, Brombeeren, Lakritzbonbons und schwarzen Kaffee. Wenn die Tänzerinnen fertig sind, stehst du auf und gebietest Ruhe, um deine Lebensphilosophie zu erläutern. ‹Das Leben›, sagst du, ‹ist ein Club, wo keine Jammerlappen geduldet sind, wo die Karten nur einmal ausgegeben werden und man nicht passen kann. Selbst wenn die Karten kalt 33 und vom Schicksal gezinkt sind, spiel mit, spiel mit wie ein Herr und ein Sportsmann. Lass dich volllaufen, grabsch dir was vom Buffet, bediene dich der Mädchen im Obergeschoss, aber denk daran, wenn du zwei Sechsen wirfst, 34 tritt vor den Vorhang wie ein guter Verlierer und wehklage nicht …›
Ich frage dich nicht einmal, was du von diesem Ausweg hältst. Du hast dafür nicht das nötige Geld, und du bist auch nicht dumm genug, so etwas durchzuziehen. Aber jetzt kommen wir zu dem, der dir mehr liegen müsste …
Die Kunst! Werde Künstler oder Schriftsteller. Wenn du frierst, wärme dich an den flammenden Farben Tizians, wenn du Hunger hast, nähre dich von Bachs erhabenen Perioden, Brahms’ Harmonien, Beethovens Donner. Meinst du, dass es etwas zu bedeuten hat, wenn ihre Namen alle mit B beginnen? Aber geh kein Risiko ein, rauche eine 3 B-Pfeife 35 und
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