Miss Monster
trotzdem. Sie drehte sich, hob das rechte Bein und trat auf die Fensterbank.
Ein Schwung reichte aus. Dann stand sie auf der Bank und hielt sich am Fensterrahmen fest. Sie schaute hinaus.
Ein wenig schwummrig wurde ihr schon zumute, als sie in die Tiefe blickte.
Diese zweite Etage lag höher als die bei einem normalen Haus. Dieses alte Gebäude besaß ganz andere Abmessungen, und sie sah auch noch drei Lehrer, die unten zusammenstanden.
Keiner schaute zu ihr hoch.
Das war gut.
Dann hörte sie ein Geräusch.
Ihr Blick zuckte zurück in das Zimmer. Wiebke bekam mit, wie sich die Klinke nach unten bewegte. Nicht sehr schnell, als wollte jemand in das Zimmer hineinschleichen.
Sie dachte dabei an Brenda Jackson und daran, daß diese sie verraten haben könnte.
Dafür würde sie sich an ihr rächen. Das nächste Opfer auf der Liste stand fest.
Der Blonde betrat den Raum.
Zuerst schaute er auf das Bett, dann zum Fenster und entdeckte die Gestalt des Mädchens.
»Nein!« schrie er, »nicht springen!«
Miss Monster aber lachte nur – und schleuderte ihren Körper hinein ins Leere…
Vielleicht hätte ich zunächst zum Fenster schauen sollen, es war nicht mehr zu ändern.
Ich sah das Mädchen und schrie ihm eine Warnung zu. Als Antwort bekam ich das Lachen, und Wiebke stieß sich ab.
Ich hechtete in den Raum hinein. Es war ein Sprung der Verzweiflung, ich wollte sie noch festhalten, doch bei einer doppelten Körpergröße hätte ich das nicht geschafft.
Ich landete irgendwo auf dem Tisch, riß ihn noch um, schleuderte auch einen Stuhl zur Seite, bevor ich hart auf den Boden prallte und hinter mir Barrys Schritte hörte.
Auch Bracht stürmte in den Raum. Da ich am Boden lag und es dauerte, bis ich in die Höhe kam, erlebte er das Unwahrscheinliche, wobei er blaß wurde und sich seine Augen so stark weiteten, daß sie schon schmerzten. Eigentlich hätte Wiebke nach dem Absprung in die Tiefe vor den Füßen der drei Lehrer landen müssen, das war nicht passiert. Statt dessen hielten sie andere Kräfte umfaßt, die mit ihr spielten, die sie auch retteten.
Miss Monster war weit ins Freie hineingeschleudert worden. Sie schwebte und stand zugleich in der Luft, was ich dann auch sah, als ich mich endlich erhoben hatte.
Es war ein Bild, das wir kaum glauben konnten. Sie hielt die Arme vorgestreckt. Ihre Hände umklammerten etwas Weißes. Von ihrer Freundin wußten wir, daß es nur der Totenschädel sein konnte, von dem Wiebke gesprochen hatte.
Sie riß ihre Arme hoch, präsentierte uns den Schädel, der noch in Höhe seines klaffenden Mauls dunkle Flecken zeigte, wahrscheinlich die Blutreste des Opfers.
Dann jagte sie davon.
Noch einmal schleuderte sie uns das Gelächter entgegen. Ihre Haare jagten in die Höhe, flatterten wie eine Fahne im Wind, und die unheimliche magische Kraft hielt sie umfangen und schleuderte sie dem Sumpf entgegen. Ihr Körper wurde kleiner und kleiner, er schien mit den grauen, tiefhängenden Wolken zu verschmelzen, dann war er nicht mehr zu sehen. Eine andere Dimension hatte ihn verschluckt. So jedenfalls hatte es für uns Beobachter ausgesehen.
»Das… das ist ja wie ein Film von Steven Spielberg«, hörten wir hinter uns eine schwache Mädchenstimme.
Als wir uns umdrehten, stand Brenda in der Tür. Sie blickte uns aus erstaunten Augen an und hatte auch gesehen, wie ihre Freundin aus dem Fenster gesprungen war.
Ich lächelte ihr zu, um die Spannung zu lösen. »Schätze, daß wir es geschafft haben, Mädchen.«
»Jetzt ist sie weg, nicht?« Brenda ging nicht auf meine Bemerkung ein.
»Endlich weg.«
»Ja. Und ich hoffe auch, das sie wegbleibt und nicht noch einmal zurückkehrt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Wenn sie in den Sumpf fliegen kann, wird sie es auch schaffen, wieder zurückzukehren. Was machen Sie denn dann?«
»Wir werden dafür sorgen, daß sie nie mehr zurückkehrt«, erklärte Barry Fi Bracht. Er lächelte und zwinkerte ihr zu. »Wir werden uns nämlich bei Anbruch der Dunkelheit und vielleicht auch schon früher im Sumpf aufhalten. Das ist jetzt ihr Gebiet. Ich kann mir kaum vorstellen, daß sie es zuläßt, daß ihr Reich von Fremden betreten wird.«
»Meinen Sie?«
»Darauf gebe ich Ihnen mein Wort als Zebuion.«
»Was ist das denn?«
»Vergessen Sie es. Sollte uns Wiebke angreifen, wissen wir uns schon zu wehren.«
»Ja, das hoffe ich.«
Nicht nur wir hatten den ›Abflug‹ der Schülerin gesehen. Es war auch den drei Lehrern
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