Miss Pettigrews grosser Tag
Luft.
»Ach du liebe Zeit! Ich habe mich ja gar nicht bei der Gastgeberin für den reizenden Empfang bedankt. Was soll sie bloß von mir denken? Ich muss gleich noch einmal zurück.«
»Gar nicht daran zu denken«, fuhr Miss LaFosse dazwischen. »Das würde Ihnen ewig nachhängen. Außerdem wäre es einfach nicht fair, Moira derart zu verschrecken. So was ist sie nicht gewöhnt.«
Der kühle Hauch im Flur war Miss Pettigrews Wohlbefinden ungemein zuträglich.
»Wie ich schon sagte, Liebes. Es war die heiße Luft in dem Raum da.«
»Ja genau«, sagte Miss LaFosse und zwinkerte schelmisch. »Da drin schwatzen sie einem ein Ohr ab.«
»Wie bitte?«, fragte Miss Pettigrew.
»Alles nur heiße Luft«, erläuterte Miss LaFosse.
»Oh!«, erwiderte Miss Pettigrew. Dann dämmerte es ihr. »Heiße Luft … Oh, wie komisch! Gott, ist das komisch!«
Sie lachte. Sie lachte und lachte, bis ihr die Tränen übers Gesicht rannen.
»Alles klar«, sagte Miss LaFosse seelenvergnügt, »Sie haben also doch ein bisschen zu tief ins Glas geguckt.«
Doch es freute sie sehr, dass ihr harmloser Scherz ein so beifälliges Publikum gefunden hatte. In fröhlicher Eintracht
stiegen sie die Treppe hinauf. Miss Pettigrew schlug weitere Hilfe aus. Sie umklammerte energisch das Geländer und zog sich Strebe für Strebe empor.
Vor dem Schlafzimmer, das als Damengarderobe diente, blieb Miss LaFosse stehen und trommelte an die Tür. Dann öffnete sie sie.
»Aber, aber«, sagte sie. »Täuschen mich meine Augen, oder ist hier ein Mann zugegen? Oh ihr Schatten der Tugend, wohin seid ihr entfleucht?«
»Lass gut sein«, sagte Tony.
»Delysia«, rief Miss Dubarry. Sie sah erheblich derangierter aus als zu dem Zeitpunkt, an dem sie unter dem Vorwand, ihr Make-up aufzufrischen, entschwunden war.
»Edythe«, sagte Miss LaFosse und bedachte ihre Freundin mit einem liebevollen Lächeln. Miss Dubarry flog in ihre Arme und umschlang sie.
»Delysia! Wir werden heiraten.«
»Nein!«, rief Miss LaFosse. Sie umarmte Miss Dubarry ebenso freudig, löste sich dann energisch von ihr und bestand darauf, auch Tony in die Arme zu schließen, was diesem nicht unangenehm zu sein schien.
»Glückwunsch, du alter Sünder. Warum zum Teufel hast du so lange damit gewartet?«
Tony grinste.
»Ich hatte das Geld für die Heiratserlaubnis nicht.«
»Das hättest du dir doch jederzeit von Edythe leihen können.«
»Tja«, sagte Tony ernst, »ich dachte, ich warte lieber noch ein bisschen, bis ich es so offenkundig werden lasse, warum ich sie in Wirklichkeit heiraten will. Ein wenig Geduld zahlt sich aus, manchmal sogar im wörtlichen Sinn.«
»Allerdings«, stimmte Miss LaFosse zu. »Die Zurückhaltung muss man dir anrechnen.«
»Es freut mich, dass du meine männlichen Fähigkeiten zu würdigen weißt«, sagte Tony bescheiden.
»Oh, jede einzelne«, sagte Miss LaFosse feierlich. »Für die ersten beiden verbürge ich mich, aber darüber hinaus übernehme ich keine Verantwortung.«
»Für die dreizehnte auch noch«, bettelte Tony. »Die braucht eine Extraportion Glück, wo sie doch mit dieser fatalen Zahl geschlagen ist.«
»Du Prachtstück«, sagte Miss LaFosse. »Dafür hast du unbedingt noch einen Kuss verdient.«
Sie küsste ihn erneut. Tony schien es zu genießen. Miss Pettigrew hatte mittlerweile gegenüber dieser wahllosen Verteilung von menschlicher Zuwendung eine gewisse Abgebrühtheit entwickelt. Niemand schien Anstoß daran zu nehmen, warum also sollte sie es tun? Allerdings war sie ein wenig verwirrt. Die Stimmung schien ihr für den Anlass nicht ganz passend. Miss Dubarry machte nicht die geringsten Anstalten, schüchtern zu lächeln oder zu erröten, und Tony wirkte nicht wie jemand, dem der Ernst seiner künftigen Pflichten wohl bewusst war. Es war wahrhaftig nicht leicht, all die schönen und zarten Empfindungen so in Worte zu fassen, wie es der Augenblick erforderte. Aber sie konnte sich nicht länger im Zaum halten.
»Oh«, sagte Miss Pettigrew zaghaft und bebend vor romantischer Verzückung, »darf ich … darf ich ebenfalls meinen Glückwunsch aussprechen.«
»Danke«, sagte Tony.
»Junge Liebe …«, setzte Miss Pettigrew an.
Miss LaFosse und Miss Dubarry drehten sich zu ihr um. Ein gewisser Blick aus Miss Dubarrys Augen sagte Miss Pettigrew, dass sie erneut auf sie losstürmen würde. Und richtig. Genauso war es. Miss Pettigrew fand diese willkürliche Zurschaustellung von Zuneigung sehr verwirrend,
aber auch überaus erfreulich.
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