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Miss Seeton kanns nicht lassen

Miss Seeton kanns nicht lassen

Titel: Miss Seeton kanns nicht lassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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bleiben und ihren Posten erst zu den Ferien aufzugeben (weil sie jetzt sicher war, es würde gehen), war es höflicher, Mrs. Benn so bald wie möglich davon zu unterrichten. Ja, es war doch wohl besser, wenn sie sich jetzt aufmachte, dann konnte sie den Brief auch gleich einstecken. Sie ging nach unten, nahm ihren Mantel und Schirm und steckte den Brief an Mrs. Benn in die Handtasche.
    Die Dorfstraße lag verlassen da. Ganz natürlich, jetzt um die Mittagszeit. Nur gut, daß Mr. Stillman seinen Laden über Mittag nicht schloß; alle andern taten es. Vor dem Postamt stand eine kleine Gestalt neben zwei Motorrädern. Ach ja, jetzt erkannte sie den Jungen, es war der Taubstumme. Schlimm, so ein Handikap, wirklich. Es wäre gewiß besser, ihn auf eine Sonderschule zu schicken, die bei solchen Kindern soviel erreichten. Manchmal ganz fabelhaft, hatte sie gehört. Erst mal brachte man ihnen das Hören bei – obgleich sie nicht ganz begriff, wie das möglich war, wenn sie doch nicht hören konnten. Und danach lernten sie dann das Sprechen. Manche brachten es so weit, daß man ihnen gar nichts mehr anmerkte.
    Miss Seeton bog gerade in den Eingang zur Poststelle ein, als die Tür aufgerissen wurde und ein Motorradfahrer, schwarzgekleidet, ihr entgegenschoß. Sie prallte zurück und Wurde umgerissen, wobei sie den Schirmgrifffallen ließ, aber sie packte ihn an der Spitze, die Krücke fuhr um ein Fußgelenk, und der Motorradfahrer ging ebenfalls zu Boden und ließ sein Paket fallen. Miss Seeton hob es auf, reichte es ihm hin und sagte:
    »Hier – Ihr Päckchen.«
    Die schwarze Gestalt kam wieder auf die Beine. Weit in der Ferne ertönte eine Polizeisirene. Der Fahrer stand mit dem Rücken zu Miss Seeton, zögerte einen Moment und’ sprang dann auf eins der Räder. Der Motor heulte auf, und die Maschine schoß die Straße hinunter nach Süden.
    Na, so etwas von ungestüm. Glatt umgerannt hatte er sie. Auf Händen und Knien versuchte Miss Seeton aufzustehen, als die Tür aufsprang, eine zweite Gestalt herausstürzte und über sie stolperte; ein lauter Knall, neben ihr schepperte etwas zu Boden, auf der anderen Straßenseite krachte es, eine Fensterscheibe im Haus Lilikot zersprang in tausend Stücke, und der Motorradfahrer landete kopfüber auf dem Kantstein. Ein Telefon klingelte. Die Polizeisirene kam näher. Der Pistolenschütze sprang – jetzt ohne Pistole – auf die Füße und stürzte zu seiner Maschine. Noch einmal heulte ein Motor auf, und erjagte seinem Gefährten nach.
    Also nein. Sie sah wirklich nicht, wie sie das hätte vermeiden können… Es tat ihr natürlich sehr leid, daß die beiden so hingefallen waren, aber nein, ganz ehrlich: es war nicht allein ihre Schuld gewesen. Miss Seeton stand jetzt wieder auf den Beinen und wischte sich den Schmutz vom Mantel. Wo war denn…? Ah ja. Sie bückte sich und hob die Pistole auf, die neben ihrem Fuß lag. Der laute Knall fiel ihr ein. Sehr gefährlich, so was. Und wo war denn das Paket geblieben, das die beiden verloren hatten? Da – eine kleine Gestalt schritt die Straße hinunter, den Karton unterm Arm.
    »Hör mal – das kannst du nicht einfach mitnehmen! Das gehört dir nicht.«
    Ach ja, natürlich, er konnte nicht hören. Sie hakte den Schirmgriff um seinen Arm und drehte ihn um. Beide sahen sich an: Er hielt das Paket fest, sie schüttelte den Kopf, streckte die linke Hand aus und hielt mit der rechten die Pistole fest, die auf seine Brust zielte. Er wollte sich weigern, warf ihr aber dann mit haßerfülltem Blick den Karton zu, wandte sich um und lief weg.
    Ein Paket, aus dem eine Postanweisung heraussah? Und eine Pistole? Es war doch nicht möglich… Nein, gewiß nicht. So was gab’s nur in Zeitungen, aber nicht hier auf dem Lande. Und ganz bestimmt nicht in ihrem kleinen Dorf. Immerhin…. verwirrt ging Miss Seeton auf die Tür zu. Natürlich würde sie im Laden kein Wort davon sagen, man wollte ja schließlich niemanden ängstigen, aber mit Mr. Stillman wollte sie doch mal unter vier Augen sprechen, er mußte ja etwas wissen.
    Der erste Streifenwagen jagte von Brettenden heran, das Blaulicht blitzte; er hielt, und die Polizisten sahen eine kleine ältere Dame mit schiefem Hütchen, Handtasche und Schirm über den Arm gehängt, in der einen Hand ein Paket, in der andern eine schußbereite Pistole: so betrat sie die Poststelle.
     
    Aus THE DAILY NEGATIVE vom 23. März
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