Miss Seetons erster Fall
ragte. Offensichtlich, um mitzuspielen, stieß ein Karton gegen sie. Sie schob ihn weg. Oh – einen Augenblick mal. Waren da nicht. Ja, aus dem Karton ragten Seifenpulverpakete. Ob die was nützen konnten? Sie zog eine Schachtel heraus und zerrte an der oberen Ecke. Wie. komisch. Sie hatte gar nicht gewußt, daß Pappe so zäh sein kann. Da. Das Loch mußte genügen. Das Paket hin- und herschüttelnd, ließ sie den Inhalt in das Rohr rieseln. Befriedigt, daß alles getan war, was sich tun ließ, setzte sie die Gummikappe wieder auf und hoffte, daß der Geruch, der sie allmählich schwindlig machte, nachlassen würde. Zumindest, dachte sie, mußte sich bei dieser Schüttelei da unten ganz schöner Schaum bilden. Der Lieferwagen rumpelte seines Wegs. Schade. es funktionierte wohl doch nicht. Nebelwolken, bis jetzt durch Aktivität verscheucht, legten sich auf ihr Gehirn. Der Lieferwagen gab ein höfliches Rülpsen von sich. War das etwa.? Nein, sie fuhren immer noch.
Wieder zwei Schluckaufs. Miss Seeton versuchte, sich dafür zu interessieren. Da, ein Schluckauf nach dem anderen. Sehr erschöpfend, so etwas, dachte Miss Seeton halb im Traum. Und es konnte gefährlich werden, wenn es andauerte. Mancher soll am Schluckauf gestorben sein. Stille senkte sich hernieder, als der Motor aussetzte und sie schwankend zum Stehen kamen.
»Panne, Kumpel?«
Ein roter Schopf kam unter der Motorhaube hervor. »Weiß nich. Muß was mit der Pumpe sein. Benzin jede Menge, aber’s kommt nich durch.« Sein Blick streifte den stämmigen Fahrer des hellblauen Lastwagens, der neben ihm angehalten hatte. »Lassense man, ich krieg’s schon hin.«
»Nee, so nich. Gib mal den Schraubenschlüssel.«
Ein leises Pochen klang von der Rückwand her. »Was fährste denn, Dicker? Viehzeug?«
»Nee. Bloß Stückgut. Und ne olle Henne zum Abliefern.«
Der stämmige Mann löste die Schraube vom Vergaser. »Jetzt wolln wir mal sehn.« Und es gab etwas zu sehen. Heraus schäumte ein Berg blauer Blasen. »Womit fährste denn, Dicker? Mit Seifenlauge?« Er warf den Kopf zurück und lachte schallend.
»Hilfe!« riefeine schwache Stimme aus dem Lieferwagen. Das Lachen verstummte abrupt. Er drehte sich um. Ein Klicken. Er wich aus, nur halb auf den Angriff vorbereitet. Das Messer fuhr ihm in den linken Arm und nicht in den Magen. Sein Stiefel kam mit Schwung herauf, stieß zu. Sein Angreifer kreischte, krümmte sich zusammen. Seine rechte Faust fuhr herunter, und es war vorbei. Am Fuß schleifte er den bewußtlosen Jungen zu seinem eigenen Wagen, zog einen Strick aus der Fahrerkabine, fesselte ihn und warf ihn auf die Seite. Dann rannte er zur Rückfront des Lieferwagens, legte den Riegel um und zog die Türflügel auf. Der Mund blieb ihm offen stehen. »Nur Mut, Miss. Gleich hamses überstanden.«
Mit benebeltem Kopf, nach frischer Luft ringend, rutschte Miss Seeton zur Tür und ließ sich vom Rand herunter. Taumelnd stand sie da und wollte ihrem Retter danken, doch die Knie gaben unter ihr nach, und sie sank in sich zusammen.
»Entschuldigen Sie«, murmelte sie. »Die Dämpfe, wissen Sie. Zu stark.«
Er half ihr auf und hielt sie fest. »Immer langsam, Miss. Muß Ihnen ja ganz schwindlig sein, da drinnen eingesperrt!«
Erschrocken sagte sie: »Ihr Arm. Sie bluten.«
Er blickte an sich herunter. Blut tropfte von seiner Hand und sickerte durch den Jackenärmel. »Ach, das is nichts, Miss. Bloß ’n Stich von Ihrem Chauffeur da.«
»Nein, sagen Sie – ist er tatsächlich mit einem Messer auf Sie losgegangen? Bei ihm muß irgendwas nicht stimmen. Und ich bin Ihnen so dankbar. Wie soll ich Ihnen nur sagen, wie dankbar. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn Sie nicht gekommen wären. Aber was ist geschehen? Ist er weggerannt?«
»Nee, nich gerade. Da drüben is er und erholt sich. Ich hab ihn gebündelt, damit ihm nichts passiert.«
Miss Seeton hatte das Schwindelgefühl überwunden. »Ziehen Sie die Jacke aus«, befahl sie, »und zeigen Sie mir sofort Ihren Arm.«
Nach genauer Untersuchung erwies sich die Wunde als nicht so tief, wie sie befürchtet hatte. Aus dem sauberen Taschentuch, das sie bei sich hatte, machte sie eine Kompresse, die sie mit dem einigermaßen sauberen Taschentuch aus der Hosentasche des Fahrers auf der Wunde festband. Der stämmige Mann sah ihr aufmerksam zu.
»Jetzt weiß ich«, sagte er plötzlich. »Sie sind doch die Lady aus der Zeitung – stimmt’s? Die Schirmlady. Da war ein Bild von Ihnen drin. Was hamse
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