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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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verwerten zu können, miteinander verglichen werden mußten, war ein langsamer, mühseliger Prozeß, von dem die Presse und die Öffentlichkeit so wenig Vorstellung hatten, daß sie ungeduldig endgültige Ergebnisse forderten.
    Die über Mrs. Venning gesammelten Informationen schienen bisher harmloser Natur, von zwei bezeichnenden Lücken abgesehen. Als Dreiundzwanzigjährige hatte sie einen leitenden Angestellten eines Bauunternehmens geheiratet. Da es dem jungen Paar finanziell gut ging und es eine gesicherte Zukunft vor sich sah, hatte man auf großem Fuß gelebt und keinerlei Rücklagen gemacht, so daß Mrs. Venning, als ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben kam, mit ihrer zweijährigen Tochter in einer teuren Wohnung, ohne Ersparnisse und ohne sichtliche Einkünfte zurückblieb. Weder die Eltern noch die Schwiegereltern waren in der Lage, die junge Witwe finanziell zu unterstützen. Trotzdem nahm sie nach Ablauf der Trauerzeit das gesellschaftliche Leben wieder auf; sie kleidete sich gut und hatte als Haushälterin ihre alte Kinderfrau, eine Mrs. Fratters, engagiert, die sich auch um das Kind kümmerte. Sonia Venning bezahlte ihre Rechnungen und hatte keine Schulden, aber woher ihre Geldmittel stammten, blieb ein Rätsel. Dann begann sie die Märchen niederzuschreiben, die sie sich als Gutenachtgeschichten für ihr Töchterchen ausgedacht hatte. Ein Verleger interessierte sich für das Manuskript, und das Buch wurde ein Erfolg. Nach dem Erscheinen ihres zweiten Buchs gab Mrs. Venning die Stadtwohnung auf und zog nach Plummergen. Von da an war alles klar. Sensibel, heiter und gesellig, hatte sie bei allen gesellschaftlichen Veranstaltungen mitgemacht, bis sie sich vor etwa einem Jahr plötzlich abkapselte und praktisch zur Einsiedlerin wurde. Ihre Bücher erschienen weiterhin in regelmäßigen Abständen, aber das war auch alles, was man jetzt von ihr wußte. Ihre plötzliche, unerklärliche Eigenbrötelei hatte viele Spekulationen hervor gerufen, die auch jetzt noch nicht verstummt waren. Auch die Polizei stellte Vermutungen an. Es war durchaus denkbar, daß allein die offensichtlichen Scherereien mit ihrer Tochter die Zurückgezogenheit erklärten, aber es war doch naheliegend, die beiden rätselhaften Kapitel ihres Lebens miteinander zu verknüpfen und sich zu überlegen, ob hier Ursache und Wirkung vorlagen. Außer ihrem Ehemann schien es in ihrem Leben keinen Mann gegeben zu haben; zwar hätte sich ihre gute finanzielle Lage in der ersten Zeit ihrer Witwenschaft auf diese Weise am leichtesten erklären lassen, doch war von einer solchen Beziehung keine Spur zu entdecken. Eine Liebesgeschichte wäre ebenfalls eine einleuchtende Erklärung ihrer jetzigen Zurückgezogenheit gewesen, aber es gab keinen Hinweis darauf, und es schien kaum vorstellbar, daß sich der Dorfklatsch nicht mit Wonne darauf gestürzt hätte, wenn auch nur der geringste Anhaltspunkt vorhanden gewesen wäre. Die Klatschbasen hätten sie bestimmt in spontaner Großzügigkeit nicht nur mit einem, sondern gleich mit einem ganzen Dutzend Liebhaber ausgestattet.
    Im Fall von Mr. Trefold Morton war das Einholen von Erkundigungen durch die gebotene Diskretion erschwert. Als Anwalt konnte und würde er zweifellos Scherereien machen, wenn er von den Nachforschungen Wind bekäme. Es lag nichts gegen ihn vor. Die Polizei konnte ihre Neugier mit nichts begründen. Er stand in dem Ruf, eher prominent als populär zu sein – so bezeichnete ihn einer seiner Kollegen im Gespräch als »Luftblase mit Einfluß«. Es war nichts Greifbares vorhanden, doch der Superintendent kam zu dem Schluß, daß an Mr. Trefold Morton ein Mißklang war. Irgend etwas stimmte nicht. Offensichtlich war er gutsituiert. Durchaus möglich, daß er – wenn man es auch in diesem Stadium nicht nachweisen konnte – noch besser situiert war, als vermutet wurde. Das einzige, was sich als Tatsache feststellen ließ und was Delphick als möglicherweise interessant registrierte, war, daß vier seiner Klienten, die dem Anwalt die Regelung aller ihrer Angelegenheiten überlassen hatten, keines natürlichen Todes gestorben waren – genauer gesagt, drei; der vierte Klient – es war eine Klientin – befand sich in mißlichsten Lebensumständen, und das voraussichtliche Ende stand noch bevor.
    Eine Mrs. Cummingdale, verwitwet und nicht mehr jung, die man für reich gehalten hatte, war bei einem Brand ums Leben gekommen, der angeblich durch Rauchen im Bett entstanden war. Ihr in

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