Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
Vom Netzwerk:
»Nicht gerade erheiternd, das Bild. oder die darin angedeuteten Unterstellungen. Aber. o ja, ich glaube, es hilft mir. Niobe weint Bäche von Tränen.«
    Miss Seeton strahlte vor Freude. »Dann verstehen Sie, was ich empfunden habe.«
    »Sie sagten, sie ist grob zu Ihnen geworden?«
    »Nun ja, schon. Aber ich glaube bestimmt, es war ein Mißverständnis. Sie hatte Kopfschmerzen, und ich habe ihr Mr. Trefold Mortons Tabletten angeboten. Sie hat sie mir aus der Hand geschlagen und was von Spionieren gesagt und daß ich sofort weggehen soll. Aber ich bin überzeugt, sie hat es nicht so gemeint. Wissen Sie, ich denke mir, sie ist sehr unglücklich und völlig erschöpft.«
    Delphick deutete auf die Zeichnung. »Deshalb die zerbrochene Medizinflasche hier unten?«
    Sie nickte. »Sie müssen verstehen – ich habe Mrs. Venning mitten in der Arbeit gestört, und schöpferische Leute können das nicht vertragen. Sehr begreiflich übrigens.«
    »Was bekümmert Sie, Sergeant?«
    Bob sah verwirrt aus. »Ich kapiere das nicht, Sir. Ich kenne das Niobe-Standbild, und ich dachte immer, es wäre eine Griechin, die nicht aufhören könnte zu weinen, weil alle ihre Kinder tot sind.«
    »Eine griechische Sage«, korrigierte das Orakel. »Artemis und ihr Bruder töteten alle Kinder der Niobe bis auf eine Tochter und verwandelten Niobe selbst in einen Felsen, und ihre Tränen wurden Zwillingsbäche, die zu Tal strömten. Der Felsen, Sergeant: Erkennen Sie nicht das Gesicht einer Frau darin?«
    Plötzlich sah Bob das Gesicht. Die Schatten und der Pflanzenwuchs, das waren Augen, Nase, Mund. Wie eine tragische Maske. Komisch, daß er es vorhin nicht erkannt hatte. Jetzt konnte er es gar nicht mehr anders sehen. Alle Kinder getötet, bis auf eine Tochter. Er sah wieder zum unteren Teil der Zeichnung. Das Mädchen lag zusammengekrümmt halb im Wasser. Ihm gefiel diese Unterstellung auch nicht.

7
    Wirklich, es war sehr verwirrend. Treten Sie die Erde beim Pflanzen gut fest, damit an den Wurzeln keine Lufttaschen zurückbleiben. Das klang klar und vernünftig. Dann, ein paar Seiten später, unter Pflege und Wartung: Hacken Sie gut rund um die Wurzeln, damit Luft herankommt. Eigentlich schade, daß man die Luft nicht gleich von Anfang an dort gelassen hatte. Und auf Seite 53: Rosen dürfen Sie niemals hacken, da ihre Wurzeln dicht unter der Oberfläche liegen, könnten sie leicht beschädigt werden. Miss Seeton klappte das Buch zu und legte es neben sich auf den Rasen. Wegweiser für Gartenfreunde – ja, aber welchen Weg wies er? War es mit Gartenbau vielleicht genauso wie mit vielen anderen Berufen? fragte sie sich. Erfolglose Sängerinnen gaben bekanntlich oft Gesangsunterricht, erfolglose Schriftsteller schrieben Bücher mit dem Titel Wie lerne ich schreiben?, und erfolglose Malerinnen wurden, wie man selbst nur zu gut wußte, nicht selten Zeichenlehrerinnen. Und in der Tat tröstete man sich gern mit dem Gedanken, daß gerade solche Leute die besten Lehrer seien. Und natürlich hätte man, wenn man erfolgreich wäre, gar keine Zeit zum Unterrichten. War es so, daß erfolglose Gärtner Gartenbücher schrieben? Oder war eine solche Idee Ketzerei? Zumindest bekam man den Eindruck, wenn man nur die Hälfte von dem tun würde, was für das Gedeihen einer x-beliebigen Pflanze anempfohlen wurde, man für nichts anderes mehr Zeit haben würde, nicht einmal fürs Essen. Wirklich, alles sehr verwirrend. Am besten fragte sie Stan. Hatte es da nicht geklopft? Wahrscheinlich jemand, der es vergebens an der Vordertür versucht hatte. Sie stand auf, ging über den Rasen, nahm den Schlüssel vom Nagel und schloß das Seitentörchen in der Mauer auf.
    »Hättense nich an was Interesse, Miss?« Helle Augen leuchteten unter einem rötlichen Haarschopf. Die geschmeidigen, schnellen Bewegungen der Jugend. sympathisch. Der klare kindliche Teint, der bald unter Pickeln verschwinden würde. Kälberspeck, der Magerkeit weichen würde. Ein argloser Cherub, der sich allmählich in ein hinterlistiges Frettchen verwandelte. Miss Seeton verstand nicht gleich. »Interesse? An was?«
    »Gott, irgendwas, Miss. Grünzeug, Sprudel, Eier, Käse, Konserven. Nich gelogen: Sagense, wasse wolln, wir hams.«
    »Tja, ich glaube nicht, daß ich etwas brauche. Augenblicklich nicht, vielen Dank.«
    »Na, nu hörense doch! Billiger wie geschenkt. Ohne Zwischenhandel, verstehnse? Wir bringens Ihnen direkt vors Haus, un Sie suchen sich aus, wasse wollen. Kommense, sehense bloß

Weitere Kostenlose Bücher