Miss Seetons erster Fall
mal«, schmeichelte er. »Verflichtetse ja zu nischt, bloß mal kieken.«
Miss Seeton ging durch das Törchen, während er zur Seite trat. Quer über den Gehweg, die hinteren Türen offen, so daß sie rechts und links des Tores die Mauer berührten, stand ein klappriger Lastwagen, dessen rückwärtiger Teil in einen geschlossenen Lieferwagen umgebaut worden war. Auf dem Plankenboden lagen zwei, drei welke Kohlköpfe mit gelben Blättern, standen ein paar Flaschen Limonade und ein Karton, aus dem Seifenpulverpakete und Konservendosen heraussahen.
Miss Seeton betrachtete das armselige Angebot. »Leider brauche ich wirklich nichts, glaube ich.« Ihre Stimme ging in gedämpftes Quaken über, als ihr ein Sack über den Kopf gestreift wurde, sie an den Knöcheln gepackt und zwischen die Waren geschoben wurde. Die Türen schlossen sich, ein Schaukeln, als sich der Fahrer hinter das Steuer schwang, und ein Knall, als er die Tür der Fahrerkabine zuschlug. Der Motor heulte auf, und Miss Seeton rollte, von den Flaschen begleitet, von der einen Seite zur anderen, während der Lieferwagen anfuhr, zurückstieß und dann sein Tempo beschleunigte.
Miss Seeton wand und drehte sich, um die Arme frei zu bekommen, um dem Mief des Sacks zu entgehen, in dem sie fast erstickte. Aber das Schwanken des Wagens machte koordinierte Bewegungen fast unmöglich. Gegenstände mit scharfen und stumpfen Kanten kamen ihr plötzlich in die Quere. Wenn sie endlich etwas erwischt hatte, gegen das sie die Füße stemmen konnte, löste sich dieser Halt sofort wieder in Nichts auf, und wieder rollte sie hin und her, hin und her, zusammen mit den vielen Flaschen. aber so viele waren es doch gar nicht gewesen! Plötzlich gab ihr etwas einen Stoß in den Nacken, verhedderte sich mit dem Sack, hielt ihn fest. Sie schlängelte sich nach unten, bekam die Ellbogen frei. Jetzt war es ein Kinderspiel. Sie schob den Sack über den Kopf, setzte sich im Dunkeln auf und atmete dankbar die abgestandene, nach Kohl und Benzin riechende Luft ein – nach ihrer Knebelung der reine Ozon. Miss Seeton, die sich selten über etwas ärgerte, war wütend.
Das war kein Scherz mehr. Das war eine Unverschämtheit. Vielleicht war dieser junge Rotschopf derjenige, der hinter ihren Eiern hergewesen war, und das hier entsprach seiner Vorstellung von Rache? Möglich, daß er es für einen Ulk hielt. Aber es war nicht ulkig. Nicht im geringsten. Ein tadelloser, guter Hut, und noch beinahe neu – bestimmt war er ruiniert. Sie lehnte sich an die Wand und tastete ihn vorsichtig ab. Ja, das hatte sie sich gedacht. Vollkommen zerdetscht. Ihre Empörung wuchs. An die Wand zu klopfen, ihm zu sagen, er solle anhalten, wäre sicher sinnlos. Wenn er dazu bereit wäre, hätte er ja gar nicht damit angefangen. Wo fuhren sie eigentlich hin? Und was hatte er mit ihr vor, wenn sie dort waren, wo er hinwollte? Nein, wirklich, diese jungen Leute – so gedankenlos. Überlegten sich nie die Folgen. Nein, sie war auf sich selbst angewiesen. Aber was konnte man tun? Wie brachte man einen Wagen zum Stehen, wenn man hinten eingeschlossen war?
Herumtastend, begann sie über den Boden zu kriechen. Plötzlich bekam sie etwas zu fassen, das sich wie ein größerer Gummikappenverschluß anfühlte. Sie klammerte sich daran, denn eben schwankte der Wagen durch eine Kurve. Die Kappe löste sich, blieb in ihrer Hand, und sie fiel auf die Ellbogen zurück. Der Benzingeruch wurde stärker. Miss Seeton kroch zur Quelle des Geruchs zurück.
Ja, da unten plätscherte es. Wenn man nur etwas sehen könnte. So schwierig, im Dunkeln herumzurätseln. Nein, dieser Geruch war zu fürchterlich. Aber wie merkwürdig. Sie verstand nichts von Autos, natürlich, aber der Benzintank war doch bestimmt immer draußen? Vielleicht beim Lieferwagen nicht? Sie streckte die Hand aus, um die Gummikappe wieder aufzusetzen. Halt. Noch nicht. Irgendwas. Was war es nur? Richtig: Wasser im Benzin. Sie hatte mit angehört, wie sich Leute darüber beschwerten. »Der Motor lief nicht, weil Wasser im Benzin war.« Wasser. Tja, sie hatte keins. Aber. Man muß nur daraufkommen: Ob Sprudel es auch tat? Sie begann zu suchen. Die Flaschen, so störend zuvor, als man sie nicht brauchte, machten sich jetzt rar. Endlich. Hier war eine. Noch zwei stießen ihr gegen die Beine. Miss Seeton sammelte sie auf und bereitete ihre Aktion vor. Was für ein Glück. Die Flaschen hatten Schraubverschlüsse. Sie leerte alle drei Flaschen in das Rohr, das aus dem Boden
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