Miss Seetons erster Fall
wie kann ich mich nur verständlich machen? Sie ist 0tot. Sie liegt drüben am Teich bei Plummergen Common, tot. Sie ist mit dem Wagen verunglückt, gegen einen Baum geprallt. Sie hätte beinahe Miss Seeton überfahren. Sie ist.« Lady Colvenden hörte den hysterischen Ton ihrer Stimme und biß sich heftig auf die Unterlippe.
Mrs. Fratters war aus dem Zimmer gegangen. Die beiden Frauen blieben regungslos stehen. Ein Aufschluchzen, und die Haushälterin war wieder da.
»Es stimmt, madam. Sie ist weg. Das Fenster ist offen. Und eine Leiter ist da. Sie ist weg. Oh, madam, was machen wir bloß?«
»Lügnerin!« kreischte Mrs. Venning. »Sie lügen. Alle lügen!« Blindlings stürzte sie hinaus. Lady Colvenden griff zum Telefon und wählte eine Nummer. »Dr. Knight? Hier Meg Colvenden, bei Mrs. Venning. Könnten Sie wohl herüberkommen? Mrs. Venning braucht ärztliche Hilfe.« Sonia Venning stand in der offenen Tür, starrte Lady Colvenden wild an, in der Hand ein Vorhängeschloß und einen Riegel, an dem noch Holzsplitter hingen. »Sie haben gelogen. Sie ist verunglückt, haben Sie gesagt. Was für ein Unglück hat die Leiter an ihr Fenster gestellt?« Ihre Stimme wurde lauter. »Was für ein Unglück ist hieran schuld?« Sie schüttelte das Vorhängeschloß, daß es klapperte. »Angela hat das nicht aufgesprengt, dafür hat sie nicht genug Kraft. Wer hat das getan? Wer hat angerufen? Antworten Sie mir. Wer hat heute abend angerufen? Wer war bei ihr?«
»Wieso? Niemand.«, stammelte Lady Colvenden. Aber allmählich dämmerte es ihr. »Sie war. sie war allein.«
»Eben nicht!« zischte die andere. »Diese Seeton war dabei. Das haben Sie selber gesagt. Wer noch? Los, sagen Sie es. Wer noch? Wer hat es getan?«
»Es war niemand sonst dabei.« Aber der Lichtschimmer wurde heller. Es stimmte, irgend jemand mußte.
»Doch. Doch.« Die Stimme war schrill. »Es muß noch jemand da gewesen sein. Sie, Lady Colvenden, Sie haben sie umgebracht. Und Sie sagen, sie ist verunglückt.«
Mit raschen Schritten trat Dr. Knight auf sie zu. Ein Blick, und er zwang die rasende Mutter, sich in den Sessel zu setzen, beugte sich über sie, ergriff ihren Arm und hielt ihn fest. »Daß sie Rauschgift nahm, daran ist ein unglückliches Versehen schuld.«, stammelte die erregte Stimme weiter. »Es war mein Versehen. Ja, das war meine Schuld. Daß sie verunglückt ist, ist ein Versehen. Wer ist schuld daran? Nicht ich, o Gott, nicht ich.«
»In meiner Tasche, obenauf, die Injektionsspritze in einer Blechschachtel, Wattebausch und das Alkoholfläschchen daneben, schnell bitte.« Die Stimme des Arztes wirkte beruhigend. Lady Colvenden fand alles und hielt es ihm der Reihe nach hin. Der Arzt schob Mrs. Vennings Ärmel zurück, zog die Spritze auf und injizierte die farblose Flüssigkeit.
»Sagen Sie mir«, gellte die Stimme, »los, los, sagen Sie mir, Sie Mörderin, wer ist schuld daran?«
Die schrille Stimme verebbte zu einem Murmeln und verstummte.
Von Mrs. Fratters, hilflosem Schluchzen abgesehen, wurde es still im Zimmer.
Eine Privatklinik? Das mußte ein Irrtum sein. Bob starrte ein unscheinbares kleines Mädchen mit abstehenden Zöpfen an, das auf halber Treppe stehenblieb und ihn ebenfalls erstaunt anblickte. Die Kleine zog den Bademantel enger um sich – doch kein so kleines Mädchen, wie er geglaubt hatte.
Noch ein Unfall? Herrje, was für ein Tag. Na, wenigstens verklecksten sie nicht das ganze Haus mit Blut, wie der bedauernswerte Bauer morgens früh, der sich den Finger halb abgehackt hatte. Du liebe Güte – wen schleppte er denn da an? Das war doch Miss Seeton, die am Vormittag Miss Hant besucht hatte. Tot war sie nicht. Sonst hätte er sie nicht hierhergebracht. Und sie tropften beide, wenn’s auch kein Blut war. Das Mädchen lief die Treppe hinauf und rief über die Schulter: »Kommen Sie rauf. Erste Tür rechts.«
Seine Kleidungsstücke und Miss Seetons Schirm unter dem einen Arm, Miss Seeton selbst unter dem anderen, stieg Bob die Treppe hinauf. In dem Zimmer hinter der ersten Tür rechts sah er im Kamin einen elektrischen Heizofen, dessen Drähte schon zu glühen begannen; davor war ein großes Badetuch ausgebreitet. Das unscheinbare Mädchen mit den abstehenden Zöpfen holte ein Nachthemd und ein paar Handtücher aus einem Schrank. Auf dem Nachttisch neben dem Bett glühte das orangefarbene Lämpchen einer elektrisch beheizten Decke. Bob ließ seine Kleidungsstücke und den Schirm neben der Tür zu Boden
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