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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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angegriffen, weil er öffentliches Ärgernis erregt hatte.
    Es war beklagenswert. Es war tragisch. Es war empörend. Gewiß, alle diese Behauptungen waren aus der Luft gegriffen, aber sie boten ein interessantes Gesprächsthema, denn die Erfahrung lehrte ja, daß ein beträchtlicher Teil der Gerüchte mit ein bißchen Zustutzen hier und ein bißchen Ergänzung dort spätestens am nächsten Morgen den Status von Tatsachen erreicht haben würde.
     
    Für die meisten Polizeibeamten wurde es eine bewegte, wenn auch nicht ganz zufriedenstellende Nacht. Delphick machte sich Vorwürfe. Er hätte sich sofort sagen müssen, daß es ein vorgetäuschter Unfall war. Er hätte den Abtransport der Leiche nicht zulassen und den Leuten nicht erlauben dürfen, den Boden zu zertrampeln, bevor Polizeiarzt und Mordkommission eintrafen. Er hätte Miss Seeton früher finden müssen. Und mit ein bißchen Glück hätte er eine Erklärung von ihr bekommen müssen.
    »Sie hat nichts gesagt, Bob? Überhaupt nichts?«
    »Nein, Sir, eigentlich nicht. Sie wollte was sagen. Irgendwas, das mit dem Wetter zu tun hat. Es klang wie ›trüber Tag‹. Und dann wie ›Ball‹. Beinahe wie ›Fußball‹, aber da muß ich mich wohl verhört haben. Dann riß sie auf einmal die Augen auf, und plötzlich hat sie furchtbar erschrocken ausgesehen, und dann war sie weg, einfach ohnmächtig.«
    Er hätte dem Mörder nicht erlauben dürfen, abzuhauen, ehe eine Personenbeschreibung vorlag. Er hätte Mrs. Venning die Nachricht selbst überbringen müssen. Er hätte Dr. Knight nicht erlauben dürfen, die beiden einzigen Zeugen zwölf Stunden lang mundtot zu machen. Vor allem hätte er es irgendwie schaffen müssen, an drei Orten zugleich zu sein.
    »Hören Sie endlich auf, Orakel, mit Ihrem ›Es hätte doch sein können‹ und ›Wenn man geahnt hätte‹. Zur Abwechslung sollten Sie an das denken, was wir trotz allem wissen.« Chief Detective Inspector Brinton von der Kriminalabteilung der Polizei in Ashford nahm einen Stapel Notizzettel auf und legte sie wie Patiencekarten aus. »Also zunächst das Mädchen, Angela Venning.« Er nahm von einem Häufchen das oberste Blatt. »Ein vorläufiger Blitzbericht von unserem Arzt. Zeitpunkt des Todes … Wissen wir ziemlich genau. Todesursache: Fraktur des linken Schläfenbeins und Fraktur mit Dislokation der linken zervikalen Vertebrae … Eine Unmenge Latein, nur um zu sagen, daß sie an einem Loch im Kopf oder an Genickbruch oder an beidem gestorben ist. Außerdem Anzeichen von Quetschungen rundum beide Fußknöchel … Da hat der Kerl sie wahrscheinlich gepackt. Einstiche an beiden Oberschenkeln lassen auf Gebrauch von Spritzen schließen: möglicherweise rauschgiftsüchtig … Das alles natürlich mit dem üblichen Wenn und Aber und warum wir nicht auf die eigentliche Obduktion warten können – nur sagte er ›Autopsie‹, weil es schwieriger auszusprechen ist.« Der Chief Inspector besah sich das nächste Blatt. »Ach ja, unsere Wissenschaftler. Kluge Leute, drücken sich nie klar aus. Latente Spuren an Steuerrad und Tür – so ein Quatsch! Wenn sie latent sind, sind sie unbrauchbar, verdammt noch mal. Der denkt wohl, latent ist Chinesisch und heißt Fingerabdrücke. Ich bin sehr für die Wissenschaft, bloß verschont mich mit dem Jargon. Worauf es hinausläuft: Fast sämtliche Fingerabdrücke des Mädchens am Wagen, am Vorhängeschloß und an der Garagentür sind von Wischern überdeckt. Also hat, der Kerl Handschuhe angehabt und den Wagen wahrscheinlich selber gefahren.« Er nahm das nächste Blatt auf. »Ah ja. Der Wagen. Nichts faul daran. Kein Versagen der Bremsen und so weiter. Keine Rutschspuren auf der Straße. Also ist er absichtlich von der Straße runter und gegen den Baum gefahren worden. Es sollte wie ein Unfall aussehen, aber der Kerl hat dafür gesorgt, daß ihm selber nichts passiert. Oh, und – ja – ein Damenhut, unter dem Vorderrad zerquetscht.«
    Sergeant Ranger straffte sich. »Der gehört Miss Seeton.«
    »So? Sagten Sie nicht, Orakel, daß sie vor Zorn getobt hat, weil sie ihr mit dem Sack den Bibi ruiniert haben?«
    Delphick grinste. »Ja. Ich glaube, das hat sie am meisten geärgert.«
    »Wenn sie so weitermacht, braucht sie bald einen Sturzhelm.« Er blätterte den nächsten Zettelstoß durch. »Trefold Morton. Da haben Sie womöglich ein Prachtstück von Fisch am Haken. Wir haben ihn bei seinen Bekannten abgeholt und zum Abkühlen nach Brettenden geschafft. Der Inspektor wollte ihn

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