Missbraucht
nur leicht gestreift und bei der Polizistin habe ich vollkommen die Nerven verloren, ich weiß auch nicht, was mit mir los war. Alles war so schrecklich!." Nicoletta konnte trotz ihrer Verletzungen und des Verbandes erstaunlich gut und verständlich sprechen.
"Nur gestreift ...", Wagner lachte fast, als er es sagte,"...Sie haben es ihm quasi in den Leib gerannt. Das war ein vorsätzlicher, brutaler Mordversuch, um an das Fahrzeug des Mannes zu kommen. Ihre Chancen stehen verdammt schlecht Frau Tschetschowa. Erzählen Sie uns die Wahrheit und Sie können wenigstens auf ein bisschen Entgegenkommen hoffen. Wir bekommen es sowieso heraus."
"Ich wollte niemanden töten, dass müssen Sie mir glauben. Ich wollte einfach nur weg. Weg von all diesen schrecklichen Sachen. Ich stand total unter Schock durch die Dinge, die gestern im Keller passiert sind und die ich mit ansehen musste." Die Rumänin machte nicht den Eindruck, als ob sie das Sprechen anstrengen würde, obwohl sie versuchte durch ihren Auftritt einen Schuss Mitgefühl zu erhaschen. Aber dafür waren die beiden Polizisten zu sehr Profis, das hatten sie schon oft erlebt. Der kleinste Verkehrssünder und der abgewichsteste Mörder, legen, wenn sie am Haken hängen, das gleiche Verhalten an den Tag.
"Dann erzählen Sie uns mal, was Sie im Keller erlebt haben", forderte Wagner sie auf. Richard hörte schweigend zu.
"Ich wusste doch nicht, was für ein Schwein Uwe war!"
"Sie meinen Uwe Stromberg?"
"Ja, mein Freund, aber das wissen Sie doch! Alles war gut, ich wusste nichts von der Sache."
"Von welcher Sache?", Wagner blieb am Ball.
"Na ja, von der Sache mit dem Doktor und ... und dem Jungen."
Das war das Startsignal für Richard. Jetzt war er da. Seine Ampel sprang direkt von Rot auf Grün.
"Was war mit dem Jungen, Frau Tschetschowa und was war mit dem Doktor?", fragte er nachdrücklich. "Erzählen Sie es uns!"
"Ich habe nichts davon gewusst."
"Frau Tschetschowa..bitte!"
"Uwe hat zusammen mit dem Doktor dafür gesorgt, dass Baumel den Jungen bekam, wann immer ihm der Sinn danach stand."
"Wie, das verstehe ich nicht. Was bedeutet das?"
"Uwe hat den kleinen Mathae immer zu dem Schwein von Baumel gebracht, wenn der ihn haben wollte, um es mit ihm zu treiben."
Wagner und Mees schauten sich kurz an. Der Fall bekam eine neue Dimension. Richard schloss für einen kurzen Moment die Augen. Seine Ahnung hinsichtlich Baumels pädophilen Neigungen wurde auf brutale Weise bestätigt.
"Was hat Baumel mit dem Jungen gemacht?", Richard wurde einen Tick lauter und fordernder.
"Was macht ein Mann wie Baumel schon mit einem Elfjährigen?"
"Sagen Sie es mir."
"Er hat ihn wohl gefickt!"
*
30.06.1994
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Die Blicke der Polizisten trafen sich erneut und beide mussten gleichzeitig tief durchatmen.
Mathae! Der Kleine war fast in Vergessenheit geraten. Sein Schicksal lief die letzten zwanzig Stunden nur neben her. Mathae war tot aufgefunden worden, doch irgendwie war sein Tod wie Beiwerk. Sie sollten sich schämen, ging es Richard durch den Kopf. Das Interesse aller galt diesem Scheiß Pressetermin, um möglichst gut dazu stehen. An das Wohlbefinden von Sandra und an den Tod des Jungen dachte niemand mehr so richtig. In ihm fing es an zu kochen, er konnte über sein Verhalten und auch das der Übrigen nur mit Abscheu den Kopf schütteln. Hauptkommissar Wagner ging es ähnlich, auch ihm wurde erst jetzt, mit den gerade gehörten Zusammenhängen das Schicksal von Mathae richtig bewusst. Dabei kannten sie die Einzelheiten seines Martyriums gar nicht und es war niemand mehr da, der sie darüber aufklären konnte. Mathae tot, Baumel tot, Stromberg tot, Dr Heb wohl auf ewig ein Pflegefall, der vielleicht nie mehr in der Lage war zu sprechen zu und die Aussagen dieser Rumänin waren mit sehr großer Vorsicht zu genießen.
"Haben Heb und Stromberg etwa auch Mathae auf dem Gewissen?", fragte Wagner plötzlich laut in die Ruhe hinein.
"Natürlich, sie wollten ihn doch nicht als Zeugen."
"Aber ich verstehe nicht, warum sie ihn ausgerechnet gestern umgebracht haben und warum ausgerechnet gestern die Situation so außer Kontrolle geraten ist"
"Weil sie wussten, dass die Polizei ihnen auf die Spur gekommen war", beantwortete Frau Tsetschowa die von Richard in den Raum geworfene Frage.
"Woher sollten sie das wissen?"
"Von Hebs Freunden aus der Politik, sie waren immer über alles informiert. Sie wussten, dass man Uwe auf die Spur
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