Missbraucht
verschwendete sie keinen Gedanken. Petra rannte in die Küche, kramte ihr Handy aus der Handtasche und wählte beim Verlassen des Hauses die 110.
Die erste Feuerwehreinheit mit einem Löschwagen traf circa zwanzig Minuten später aus Achern ein. Ein Trupp der freiwilligen Feuerwehr aus dem nur vier Kilometer entfernten Gamshurst war sogar schon nach knapp zehn Minuten vor Ort. Für Petra war es eine Ewigkeit. Ihr kam es vor wie Stunden, in denen sie völlig aufgelöst Gisela informierte. Nach und nach trafen mehr Rettungskräfte ein. Ein von der Polizei angeforderter und inzwischen eingetroffener Notarzt kümmerte sich schließlich um Petra. Sie hatte es nicht gewagt einen Blick hinters Haus zu werfen, sie saß seit ihrem Anruf auf einem der tischhohen Findlinge, die als Parkplatzabgrenzung dienten.
Während die Feuerwehr den Brand hinter dem Haus von außen durch die Fenster und die Tür bekämpfte, versuchte sie einer der Polizisten zu befragen. Petra konnte überhaupt nichts antworten, zu sehr stand sie unter Schock. Auch auf die Frage der ersten Feuerwehrleute, ob sich noch Personen im Haus befänden, hatte sie nur mit dem Kopf geschüttelt. Ilia Popescu war ihr nicht in den Sinn gekommen. Inzwischen war man am Objekt zum Innenangriff übergegangen. Feuerwehrleute , ausgerüstet mit Atemschutzgeräten waren in das Haus vorgedrungen. Nachdem die Angreifer alles mobilisiert hatten, was zur Verfügung stand, inklusive einer Wärmebildkamera um den Brandherd und eventuelle Personen im Feuer auszumachen, war der Kampf bald gewonnen. Das Ehepaar Schönefeld hatte sich sofort nach Petras Anruf auf den Weg gemacht und stand, sich gegenseitig festhaltend, konsterniert vor dem ausgebrannten Bootskeller. Die Einsatzkräfte waren eifrig bemüht, irgendwelche verkohlten Teile hinauszutragen und sie säuberlich nebeneinander aufzureihen. Es schien sich Hektik und Aufregung breit zumachen, denn die Rettungskräfte unterhielten sich plötzlich wild gestikulierend untereinander. Dann wurde die inzwischen ebenfalls eingetroffene Polizei zum Brandherd gerufen, was noch mehr Bewegung in die ganze Angelegenheit brachte. Es machte sich eine ganz andere Art von Hektik breit. Der Aktionismus aller Beteiligten steigerte sich merklich, die Kommunikation wurde lauter und überall wurde aufgeregt und wild gestikuliert. Einer der Zivilbeamten telefonierte, während der andere von einem Streifenpolizisten per Fingerzeig auf das Pächterehepaar aufmerksam gemacht wurde. Der Beamte kam auf sie und stellte sich vor.
"Kommissar Stolzenfels, Kripo Achern. Frau Gerz sagte, dass sie die Besitzer des Lokals sind. Ist das richtig?"
"Äh, nein! Wir haben das Lokal gepachtet", antwortete Wilfried, der seine Frau immer noch fest im Arm hielt.
"Wissen Sie, ob noch jemand im Haus war?"
"Nein, außer Petra war niemand mehr da", Wilfried schüttelte wie abwesend den Kopf.
"Nicu! Nicu war hier. Er ist immer abends hier", Gisela fiel auf einmal ein, dass sie an Nicu noch gar nicht gedacht hatten. "Er arbeitet hier und hat eine kleine Wohnung im Wirtschaftshaus dort hinten. Er müsste doch normal wach sein, das gibt es doch nicht."
Ihre Stimme klang besorgt.
"Stimmt, an Nicu hab ich ja gar nicht mehr gedacht. Wo ist er?" Wilfried schaute sich suchend um.
"Wir haben eine Leiche gefunden", sagte der Kommissar ernst.
Gisela schlug die Hände vor ihr Gesicht. Ihrem Mann fehlten die Worte. Wilfried träumte vor zwei Stunden noch von einem Supersommer und einem Riesengeschäft und jetzt wusste er nicht mehr, wie es überhaupt weiter ging.
"Würden Sie mir was über diesen Nicu erzählen?", fragte der Polizist höflich.
"Ja natürlich."
"Dann kommen Sie, wir gehen ans Auto."
Es dauerte circa eine halbe Stunde, bis die die Kripo Offenburg mit Kollegen der dortigen KTU vor Ort war.
*
25.06.1994
Der Schlauch vom Duschkopf war bestimmt seit zwei Monaten undicht, aber Richard schaffte es nicht, ihn gegen einen Neuen auszutauschen. Lieber verursachte er bei jedem Duschen eine kleine Überschwemmung, da das Wasser in zwei, manchmal sogar drei feinen Strahlen über den Vorhang spritzte. Dabei nahm er sich immer, aber wirklich immer vor, Abhilfe zu schaffen. Sobald er jedoch seinen "Astralkörper" abgetrocknet hatte, war der Vorsatz verflogen. An diesem Morgen war Richard schon beim Aufstehen mit dem Gedanken beim Fußball. Heute Abend werde ich mit den Russen und den Gauchos mal richtig Geld machen, dachte er sich und betrachtete dabei, durchaus penibel,
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