Missgeburt
völlig falsch anpackst. Du verwirrst diese Leute mit lauter überflüssigem Zeug. Dieses ganze Aufrechnen von Sünde und Vergebung interessiert doch keinen Menschen. Was du den Leuten in Aussicht stellen musst, ist eine Möglichkeit, den Himmel auf Erden zu finden. Und zwar mit deiner Hilfe. Nimm Dr. Gordons Buch mit und lies es zu Hause durch.« Sie drückte es Schwartz wieder in die Hand. »Und sieh vor allem zu, dass du dich immer an eine Grundregel hältst, die ich dir jetzt mit auf den Weg gebe. Du musst den Leuten etwas bieten, eine richtige Show. Such dir ein paar eingängige Themen, die du ihnen einhämmern kannst. Du musst ihnen vermitteln, dass du ihr Leid, ihre Rückschläge und ihre Niederlagen im Leben nachempfinden kannst. Sie sind Fremde in diesem Land, die alles aufgegeben haben. Und alles, was sie dafür in ihrer neuen Umgebung als Entschädigung erhalten, sind ein paar lausige Dollar. Oder siehst du nicht, wie entwurzelt sie sind? Sie leiden sehr darunter, dass sie ihre Heimat, ihre Familie und sogar ihre Kirche aufgeben mussten. Du solltest ihre Situation dazu nutzen, ihr spiritueller Vater zu werden und
ihnen all die Institutionen zu ersetzen, die sie verloren haben. Wenn du es geschickt anstellst, wird dir das gelingen – genau so, wie es Dr. Gordon gelungen ist, als er mit seinem Zelt durch die Lande gezogen ist und den Menschen von seinem Unendlichen Plan gepredigt hat.«
»Was meinst du mit ihr spiritueller Vater werden ?«
»Nichts anderes, als was ich gesagt habe. Du wirst für sie zum Mittelpunkt ihrer Welt und nimmst den Platz aller ihrer Heiligen ein.«
»Das einzige Mal, dass ich in meinem Leben so etwas wie ein Gefühl von Macht verspürt habe, war, als ich als Jugendlicher in einem Zirkus als Schlepper gearbeitet habe. Ich stand vor dem Zirkuszelt und habe versucht, die Leute zu animieren, sich das Monstrositätenkabinett anzusehen.«
»Dann wundert es mich, ehrlich gestanden, etwas, dass du dich in deiner Kirche so ungeschickt anstellst. Du musst ihnen nur eine perfekte Show bieten, dann rennen dir diese armen Teufel die Bude ein. Aber dazu gilt es, ihnen erst einmal Hoffnung zu geben. Du musst ihnen begreiflich machen, dass auch du gelitten hast. Und gerade einem Zwerg wie dir nehmen sie das eher ab als jedem anderen. Vermittle ihnen einfach das Gefühl, dass du ihr Leid nachempfinden kannst. Wenn du das nicht kannst oder willst, brauchst du erst gar nicht anzufangen. Dann kannst du deine Universalkirche der seelischen Entfaltung spätestens in einem Monat dichtmachen.«
»Da geht Reverend Galo aber völlig anders an die Sache heran«, bemerkte Schwartz.
»Wundert dich das etwa? Er kann schließlich auf dem Fundament aufbauen, das die katholische Kirche für ihn gelegt hat. Für ihn ist bereits alles vorgezeichnet. Er muss nur noch ein paar schöne Worte und die entsprechende Musik hinzufügen. Dagegen ist deine Aufgabe wesentlich schwieriger. Du musst vor allem auf all jene abzielen, die sich in der katholischen Kirche nicht mehr aufgehoben fühlen und sich deshalb fragen, ob sie
diesen sicheren Hafen verlassen und unter deiner Führung zu saftigeren Weiden aufbrechen sollen. Wenn du diese Menschen für dich gewinnen kannst, wird garantiert einiges für dich herausspringen. «
Schwartz spitzte die Ohren. »Meinst du, finanziell?«
»Natürlich. Sie werden dir sogar das Geld geben, das sie eigentlich für Miete und Essen bräuchten, wenn du nur ihr Leid ein wenig linderst und sie in dem Glauben bestärkst, dass du eine Lösung für all ihre Probleme hast.«
»Du bringst mich wirklich zum Nachdenken«, murmelte er, mehr zu sich selbst. »Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das auch alles umsetzen kann.«
»Mach dir deswegen keine Gedanken. Ich helfe dir dabei. Mein Vorschlag ist folgender. Zuallererst liest du Dr. Gordons Buch; dann legst du dir neue Klamotten zu. Was hattest du an, als du beim Zirkus gearbeitet hast?«
»Einen schwarzen Umhang und einen Zylinder.«
»Der Umhang ist schon mal gut. Was den Zylinder angeht, muss ich noch überlegen. Und kauf dir auf jeden Fall einen Smoking, damit du etwas hermachst.«
»Und du bist sicher, dass das auch tatsächlich klappen wird?« »Vertrau mir. Gib mir drei Wochen Zeit. Wenn du bis dahin keine erkennbaren Fortschritte siehst, lassen wir das Ganze sein.«
Dusty Schwartz dachte insgeheim: Wenn ich ihr schon genügend vertraut habe, um mich von ihr windelweich prügeln zu lassen, sollte ich ihr vielleicht auch
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