Missing Link
Familie.«
»Wir könnten ihn begraben«, murmelte Dorn.
»Dazu haben wir keine Zeit«, sagte Jack.
Der Pilot blickte Dorn mit rotem Gesicht an. »Und wenn es einer von euch gewesen wäre? Bei Gott, ich hoffe, Sie hätten ein bisschen mehr Mitleid gezeigt.«
Samantha trat schlichtend zwischen die Männer. »Wir nehmen die Leiche mit.«
Während sich die Expeditionstruppe durch den dichten Dschungel kämpfe, sinnierte Jack über die schnelle Wendung, die das Schicksal für den Kopiloten bereitgehalten hatte. Der korpulente Mann hatte beim Absturz dem Tod ein Schnippchen geschlagen, nur um ein paar Stunden später unter einer großen totai-Palme einem Herzstillstand zu erliegen. Ricardo vermutete, dass er in Anbetracht der Farbe und der Körpertemperatur schon mindestens vierzig Minuten tot war.
Baines hatte die Leiche in Leinensäcke gehüllt, doch brauchte man trotzdem zwei Männer, um ihn zu tragen, weswegen sie noch mehr von der Ausrüstung zurücklassen mussten. Dorn war verärgert. Er hatte vergeblich sein Veto eingelegt und war dabei, die Kontrolle zu verlieren, was er, wie Jack wusste, hasste.
An riesigen Palmen vorbei zogen sie immer tiefer in das dunkle Unbekannte. Jack erinnerte sich, dass die motacu-Palme für die heimischen Indianer eine heilige Pflanze war, die sie zum Abdecken ihrer pauhuichi - den charakteristischen, aus Schlamm und Flechtwerk gebauten Häusern - verwendeten. Hin und wieder meinte Jack das tiefe Grummeln einer Raubkatze zu hören, die wegen der durch den Matsch schlurfenden Schritte aus seinem Tagesschlummer gerissen wurde. Doch selbst inmitten all der natürlichen Schönheit, die sie umgab, konnte Jack seine Augen nicht von der schlanken Gestalt der rassigen Frau vor ihm abwenden. Nur durch Zufall hatte er ihren Namen gehört, als einer ihrer Landsleute sie angesprochen hatte.
Veronika.
Jack spielte in Gedanken mit dem Namen. Die Frau hatte eine fantastische Figur - und einen bewundernswerten, sinnlichen Gang. Sie schien eine Mestizin zu sein, eine Mischung aus hauptsächlich spanischem mit einer Spur indianischem Blut.
Samantha nahm wahr, wie er sie wahrnahm.
Sie hatte Jack eingeholt und ging schon fast eine Stunde neben ihm. Sporadisch fingen sie eine Unterhaltung über den einen oder anderen Aspekt des Regenwalds an, aber sobald sie zu sprechen begann, schienen Jacks Gedanken abzuschweifen. Sie sah, wie seine Augen in ihren Höhlen hin und her sprangen, in perfekter Einheit mit dem Hintern dieser kleinen Kurtisane vor ihnen. Als Jack auf eine große Baumwurzel trat, ging er unter dem Gewicht seines riesigen Gepäcks beinahe zu Boden.
»Vorsicht«, warnte Samantha. »Nicht dass du noch deine Zunge verschluckst.«
Sie ließ Jack, der sich seinen Knöchel rieb, einfach stehen. Er gluckste vor sich hin. Sie war gereizt, doch der Gedanke, dass sie sich wegen einer anderen Frau ärgerte, befriedigte ihn irgendwie. Sie versteckte die gleichen Besitzansprüche, die auch Jack noch in sich spürte.
Jack holte schließlich die kleinen Bolivianer vor sich ein. Obwohl sie unter ihrem Gepäck überladen wirkten, beschwerten sie sich nicht. Jack fand Bolivianer in ihrer herzlichen und kraftstrotzenden Art richtig tapfer. Dem Volk war seit Beginn ihrer Staatsgründung ziemlich zugesetzt worden - furchtbare Politiker, kein Glück im Krieg, schlecht beratene Landgeschäfte. Nicht viele lateinamerikanische Länder waren so wenig bekannt oder wurden so wenig verstanden. Leider beruhte Boliviens Ruhm auf dem stetigen Strom der Drogen, der von seinen Hügeln floss. Niemand brachte das Land mit seinen ständig schneebedeckten Bergspitzen, seinen undurchdringbaren Dschungeln an den Nebenflüssen des Amazonas oder den wunderbaren rätselhaften Tempeln, dem vielleicht wahren Ursprung der Menschheit, in Verbindung. Niemand schien davon auch nur zu berichten. Touristen waren in diesem ziemlich undurchdringlichen Land eine Seltenheit, und nicht wenige Bolivianer emigrierten in die nördlichen Industrienationen.
Vor Jack riefen sich einige Bolivianer gegenseitig etwas zu. Sie beschleunigten ihren Schritt, auch wenn sie unter den drückenden Kisten auf ihren Rücken und den schweren, um die Schultern gehängten Gewehren gebeugt gehen mussten. Vor ihnen hatten ihre Führer einen matschigen Pfad durch den Regenwald entdeckt - die Zugangsstraße, die die Mannschaft nach Trinidad bringen würde. Mit etwas Glück würden sie bald auf die wartenden Fahrzeuge stoßen.
Und bis Tiahuanaco würden sie noch
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