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Missing Link

Missing Link

Titel: Missing Link Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walt Becker
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einen Zahn zulegen müssen.
    Sie rochen die Stadt, lange bevor sie sie sahen. Der feuchte Wind trug ein Gemisch aus Gerüchen vor sich her - Rauch von der brennenden Vegetation, Benzin, gekochtes Essen und Müll. Trinidad war wie die meisten Städte im Tiefland des El-Beni- Distrikts unterhalb von Cochabamba arm und verwahrlost.
    Die Blasen, die sich auf Jacks Fersen gebildet hatten, waren wieder geplatzt. Auch Samantha hinkte merklich. Sie waren mehr als drei Stunden gewandert.
    Veronica sagte ihnen auf Spanisch, dass sie nicht neben dem parallel zur Straße verlaufenden Bach gehen sollten.
    Der kleine Bach floss in einer hastig gegrabenen Rinne und wurde an mehreren Stellen durch Schutt aufgehalten - er war nicht mehr als ein offener Abwasserkanal.
    »Der stinkt ja eklig«, meinte Dorn und hielt sich ein Taschentuch vor die Nase.
    Die großen Tücher, die ihre Führer trugen, erwiesen sich als sinnvoll, um sich vor dem Geruch der menschlichen Abfälle zu schützen, die frei in dem Bach flossen. Jack wünschte, auch er hätte solch ein Tuch, als er Samantha erklärte, dass es in fünfundsechzig Prozent der städtischen Behausungen kein Trinkwasser gab.
    »Das ist unmenschlich«, sagte sie. »Es ist nicht fair ...«
    Ricardo schüttelte den Kopf. »Das ist schlimmer als in meiner Erinnerung.«
    Die Gruppe erreichte den Stadtrand. Ein paar halb verhungerte und verwilderte Hunde begrüßten sie, nachdem sie aus der fließenden Latrine etwas Wasser gesoffen hatten.
    Die bewaffneten Leute führten sie an einer Reihe von Baracken vorbei, vor denen kolla saßen - Männer, die aus wirtschaftlich noch ärmeren Hochlandstädten hierher gezogen waren - und rauchend über die Ankunft der seltsamen Karawane diskutierten.
    »Mit ihren Schießeisen sind sie aber ziemlich dreist«, meinte Samantha, als ihr Gefolge keine Anstalten machte, die Waffen zu verstecken.
    »Bestimmte Kartelle kontrollieren bestimmte Städte«, erklärte Jack. »Sie sind hier so was wie die Exekutive.«
    Samantha blieb stehen. »Und was macht dann die Polizei?«
    »Die meisten haben wahrscheinlich ein zweites Einkommen«, antwortete Jack.
    Er zeigte auf einen Mann in brauner Khakihose, der ihnen aus dem Dschungel geholfen hatte. Auf dem Abzeichen auf seinem Arm stand: POLICIA.
    »Na großartig«, sagte Samantha nur.
    Dorn lächelte. »Zumindest ist die Polizei schon ausbezahlt worden.«
    Veronica führte sie durch matschige Seitenstraßen zwischen dicht gedrängten Blech- und Holzbaracken. Der Geruch eines gebratenen Huhns und aji - einer scharfen Pfefferpflanze - entströmte einer der Hütten und konnte den Gestank einen Moment lang besiegen. Sie befanden sich in einem Industrieviertel aus stahl verkleideten Fabriken und Lagerhäusern. Eine Gruppe dürrer Kinder, einige lahm und deformiert, grüßte sie mit einem Lächeln.
    »Die Säuglingssterblichkeit ist die höchste in ganz Lateinamerika - in manchen ländlichen Gebieten liegt sie bei sechsundfünfzig Prozent«, erklärte Ricardo, nachdem sich Samantha über den traurigen Zustand der Kinder ausgelassen hatte. Er fuhr fort, dass die meisten, die die Geburt überlebten, schlecht ernährt seien. Sechzig Prozent litten unter einem Kropf, fast die Hälfte unter Anämie - das Ergebnis von Jod- und Eisenmangel. »Die meisten haben keine Eltern.«
    »Aber wie überleben sie?«, fragte sich Samantha laut.
    »Sie arbeiten«, antwortete Ricardo. »Veronica sagt, das Durchschnittsalter bei den arbeitenden Kindern in Bolivien sei gefallen. Von zehn auf sechs Jahre.«
    Sechs Jahre alt, dachte Jack. Er hörte aufmerksam zu, als Veronica ihnen in gebrochenem Englisch erzählte, dass die Heimatlosen bis auf wenige entweder durch Pressen von Kokain, durch den Transport der verarbeiteten Paste oder den Verkauf einer billigen Variante der Droge überlebten. Fast alle seien abhängig - selbst jene im Kindergartenalter.
    Veronica ließ sie anhalten. Sie ging auf zwei gut gekleidete Männer vor einem der größeren Lagerhäuser zu.
    Nach einem kurzen Gespräch kehrte sie zu Dorn zurück. »Wir reden drin«, sagte sie.
    Dorn wandte sich an Baines. »Wieso bekomme ich das Gefühl, dass ich mein Scheckbuch brauche?«
    »Wartet hier, por favor«, wies Veronica die Wissenschaftler an.
    Samantha setzte sich auf ihren Rucksack. Sie war dabei, verschiedene Möglichkeiten durchzudiskutieren, wie sie den Fund publik machen könnten. Jack lehnte seinen Kopf gegen eine der Kisten. Er merkte nicht, dass sie fertig mit Reden war.
    »Jack?

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