Mission Ares
ihm beipflichten.
Der Film wurde nun musikalisch unterlegt; es war eine
getragene Weise, und ein Kommentator erklärte in holprigem Englisch, daß dieses Stück simultan in die Sojus übertragen wurde, um die Kosmonauten zu beruhigen. Meine Fresse, sagte Seger sich. Sie müssen sich vorkommen, als ob sie in einem Aufzug steckengeblieben wären.
Beim Blick auf die Uhren sah Seger, daß es noch eine Minute bis zum Start war. Er hob das Fernglas.
Die Elektrokabel und Brennstoffleitungen fielen wie
Nabelschnüre von der Wandung des Schiffs ab, und die N-1
stand nun frei da: groß, primitiv, zerbrechlich. Mein Gott. Das Ding sieht aus wie ein Tauchsieder.
Die Zündung würde in vier Sekunden erfolgen.
Rauch und Flammen schlugen aus der breiten Basis der N-1, wälzten sich über die Steppe, und Feuer füllte die um das Schiff gezogenen Gräben.
Seger sah, daß das flammende Inferno sich noch verstärkte.
Die erste Stufe enthielt nicht weniger als dreißig
Raketentriebwerke, verglichen mit fünf in einer Saturn.
Die ersten Momente des Starts waren die kritische Phase. Im Gegensatz zur Saturn wurde die N-1 nicht festgehalten, während der Schub sich aufbaute. Statt dessen stieg sie einfach auf, wenn der Schub das Gewicht überstieg. Und einen Unterbrecher für die Triebwerke gab es auch nicht.
Schließlich stieg die große Stufenrakete doch auf ihrer
Flammensäule auf. Der Anblick war mit einer Kathedrale zu vergleichen, die sich in die Lüfte erhob.
Nachdem die Stufenrakete sich erst einmal um eine Länge
vom Erdboden gelöst hatte, beschleunigte die N-1 schnell. Im weiteren Verlauf neigte sie sich, wobei an der Basis eine Explosion aus Licht aufloderte.
Nun erreichte der Schall den Beobachtungsbunker, und das Fenster vor Seger klirrte; das Licht flutete in den Raum, als ob eine kleine Sonne über der Steppe aufgegangen wäre. Die Druckwellen der Rakete pflanzten sich bis ins Innere seines Körpers fort.
Michaels beugte sich zu Seger herüber. »Es scheint zu
funktionieren.«
»Qmax«, übertönte Seger das Getöse. »Sie muß noch Qmax
durchlaufen.« Der Punkt des maximalen aerodynamischen
Drucks war der Punkt, an dem bei früheren Flügen Probleme aufgetreten waren. Es war im Grunde das Versagen der N-1
gewesen, wodurch die Sowjets den Wettlauf zum Mond
verloren hatten. So hatte zum Beispiel die N-1 bei der letzten Erprobung vor Apollo 11 im Jahre 1969 so heftig vibriert, daß eine interne Leitung gebrochen war. Die ganze Rakete war mit Flüssigsauerstoff besprüht worden. Triebwerke explodierten, Turbo-Pumpen platzten… Die Explosion hatte die Energie einer taktischen Atombombe und war sogar von amerikanischen Aufklärungssatelliten registriert worden.
Die Uhren sagten Sechsundsechzig Sekunden.
»Ich glaube, das war’s«, sagte Seger atemlos. »Die
Triebwerke werden wieder hochgefahren.«
»Dann wäre das Schlimmste also überstanden?«
»Mitnichten. Nein, dieser Vogel hat es erst überstanden, wenn die fette Dame aus voller Kehle singt, Fred.«
Michaels klopfte ihm auf die Schulter und widmete sich den anderen Gästen.
Lange, nachdem die anderen gegangen waren und der Lärm
des Starts sich gelegt hatte, stand Seger noch am Fenster. Er beobachtete den Sonnenuntergang und summierte im Kopf die Starts, die er bereits erlebt hatte.
Zeitdauer der Mission [Tag/Std:Min:Sek]
Plus 121/12:23:34
Gershon stieg durch die Kopplungsöffnung in den
Kopplungstunnel ein und schwebte in die Kommandokapsel.
Mit dem Kopf voran erreichte er die Spitze der kegelförmigen Apollo-Kabine. Er schlug einen Salto, der ihn von ›oben‹ aus dem Missionsmodul nach ›unten‹ in die Apollo beförderte.
Für Gershon war dieses Manöver einer der merkwürdigsten
Aspekte des ganzen Flugs.
Er schloß die Luke hinter sich und lehnte sie an.
Dann setzte er sich auf Stones Platz an der linken Seite der Kabine und befestigte die Checkliste an einem Klettverschluß an der Steuerkonsole. Er hatte eine Tube Orangensaft in der obersten Tasche seiner Kombi. Diese öffnete er nun und nahm einen Schluck. Er rückte das Kopfbügelmikrofon zurecht und vergewisserte sich, daß er Kontakt zum Rest der Ares hatte – sowohl York als auch Stone befanden sich im Missionsmodul –, und dann setzte er eine Nachricht an Fred Haise ab, der gerade als Capcom fungierte. Er wartete jedoch nicht, bis das Signal durchs Sonnensystem geschlichen war und die Antwort eintraf, sondern machte sich gleich an die Arbeit.
Er fuhr die
Weitere Kostenlose Bücher