Mission Ares
gedacht.
Gershon summte die Mozart-Melodie bei der Arbeit.
Diese Inspektion war lästige Routinearbeit für Gershon, doch andererseits war alles auf diesem Flug lästige Routinearbeit für Gershon. So war es nun mal auf jedem beschissenen Langstrecken-Raumflug.
Gershons Stunde würde kommen, wenn er das MEM durch
die dünne Luft des Mars steuerte. Doch im Grunde hatte er bisher nur für – wie lange? – vierzig, fünfzig Minuten – eines Flugs mit voller Kraft gearbeitet, der anderthalb Jahre dauern würde. Kein sehr gutes Nutzlastverhältnis, Ralph. Aber das war schon in Ordnung. Das war ein Preis, den zu zahlen Gershon bereit war. Weil er sich nämlich auf einer Odyssee zum Mars befand.
Auf den Namen ›Ares‹ war er zum erstenmal in einem
zerfledderten alten Schmöker gestoßen, den er in einem
Ramschladen in Mason gekauft hatte. Es handelte sich um eine Sammlung von Science Fiction-Geschichten, die jemand namens Stanley Weinbaum verfaßt hatte. Die Titelgeschichte lautete ›Eine Mars-Odyssee‹, bei der vier Männer in einem Schiff namens Ares zum Mars flogen und ihn erforschten.
Auch nach all diesen Jahren waren Weinbaums magische
Worte ihm noch in lebhafter Erinnerung. Er glaubte, wieder die vergilbten Seiten jenes alten, zerfledderten Taschenbuchs umzublättern.
Als Gershon erfahren hatte, daß man dieses Schiff auf
Weinbaums Schiffsnamen taufen würde, war er begeistert.
In seiner Jugend hatte er den ganzen Science Fiction-Kanon abgearbeitet und war noch mit vielen anderen Schiffen zum Mars geflogen. Bradbury hatte ihn nicht sonderlich angesprochen, mit seinen vagen Beschreibungen von silbernen Krabben – feurig pulsierend und mit einer Invasionsarmee an Bord –, die auf die Oberfläche eines paradiesischen, bewohnten Planeten hinabsanken. Clarke hatte seine ›Ares‹ hingegen in allen Einzelheiten beschrieben. Sie bestand aus zwei großen Kugeln, die in Form einer Hantel durch eine hundert Meter lange Röhre miteinander verbunden waren. Die hintere Kugel enthielt Atommotoren – die von AEC-Robotern gewartet wurden –, und in der vorderen Kugel befanden sich die Unterkünfte für die Besatzung, mit vielen Kabinen, einer großen Kantine und einer Beobachtungskuppel…
Der auf der Liege sitzende Gershon saugte noch etwas Saft aus der Tube und strich über die Oberfläche der schmutzigen Instrumentenkonsole. Er grinste. Kantine – uah.
Gershon war so vernarrt in die Apollo-Technik wie andere Männer vielleicht in klassische Automobile. Zum Beispiel in eine Corvette. Apollo war eine ebenso schöne wie funktionale Maschine, die schon große Dinge geleistet hatte. Und selbst nach all diesen Jahren war sie noch immer besser als alles, was die Russen auf die Beine stellten…
Und es schien ihm nur angemessen, daß der erste – reale –
Flug zum Mars keine Verwirklichung eines Traums der
Fünfziger war, wie von Braun ihn zum Beispiel geträumt hatte, sondern in einer Handvoll zusammengebauter Apollo-Blechbüchsen Wirklichkeit wurde.
Er wußte aber auch, daß mit diesem Flug nicht nur sein
Traum, sondern die Träume vieler Menschen wahr wurden.
Während Ares seiner langen, spiralförmigen Trajektorie zum Mars folgte, spürte er, daß er nicht allein war: Ares wurde von einer Flotte von Geisterschiffen eskortiert, großen silbernen Gebilden, die den Werken von Clarke und Heinlein und Asimov und Bradbury und Burroughs entflogen waren…
Die Klänge von Mozart erfüllten die Kabine, und Gershon
hakte geduldig die Checkliste ab.
Drittes Buch
Apollo-N
Freitag, 28. November 1980
Apollo-N; Lyndon B. Johnson-Raumfahrtzentrum, Houston
Rolf Donnelly parkte den Wagen vor Gebäude 30, dem
Kontrollzentrum. Pfeifend stieg er aus.
Auf einem Parkplatz in der Nähe des Gebäudes hatte man ein neues Schild aufgestellt: MCC M&O ANGESTELLTER DES
MONATS. Donnelly lachte. Willkommen im Öffentlichen
Dienst! Sie befinden sich nun im Kontrollzentrum, und gute Arbeit wird mit einem eigenen Parkplatz honoriert!
Er atmete die warme Herbstluft ein. Auf frische Luft würde er in der nächsten Zeit verzichten müssen; wenn ihm an der Arbeit in Gebäude 30 etwas nicht gefiel, dann der Umstand, daß es keine Fenster hatte. Langsam ging er an den Lüftungsgittern der Klimaanlage entlang, die in die Mauern des Gebäudes eingelassen waren. Im Frühling nisteten dort Vögel, doch nun waren keine Anzeichen von Besiedlung durch Federvieh zu erkennen.
Donnelly betrat das Gebäude. Er war Flugleiter, und
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