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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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verdammten
    Ding fehlt eine ganze Seite. Ich sehe Kabel herumhängen, und die Basis des Wasserstofftanks ist zerfetzt. Es sieht wirklich schlimm aus…«
    Während die S-NB weiterrollte, sah Priest durch die Basis des aufgerissenen Tanks bis hinauf zum NERVA-Reaktor selbst.
    Dort indes sah er einen weißglühenden Lichtpunkt. Das ist der gottverdammte Kern. Der Reaktor ist geplatzt und hat den Kern freigelegt. Von dem biologischen Schild war nichts zu sehen. Er mußte weggesprengt worden sein. Vielleicht waren das die rotglühenden Bruchstücke gewesen, die er an den Fenstern der Kommandokapsel hatte vorbeifliegen sehen.
    Als er den Schrotthaufen betrachtete, spürte er Wärme im Gesicht: Hitze, die vom Kern ausstrahlte, als wäre er eine winzige, eingefangene Sonne.
    Er warf einen Blick auf die Anzeige des Dosimeters. Der
    Kern strahlte mit dreißigtausend Röntgen pro Stunde, und diese Strahlung durchdrang das Schiff mit einem unsichtbaren Hagel aus Gamma-und Neutronenstrahlen.
    Dreißigtausend! Dieser Wert war schier unvorstellbar. Die Obergrenze lag gemäß den Missionsbestimmungen bei einem Tausendstel Röntgen pro Tag.
    »Wir genießen wohl eine Art von Privileg«, sagte Priest.
    »Noch nie in der Menschheitsgeschichte war jemand aus so geringer Distanz einer so intensiven Strahlungsquelle ausgesetzt. Selbst die Opfer von Hiroshima kamen
    hauptsächlich durch die Hitze und Druckwelle ums Leben und weniger durch die Strahlung selbst…«
    Jones stieß ein keckerndes Lachen aus und schloß die Augen.
    »Wieder eine Premiere im Raumfahrtprogramm. Ich danke dir, Gott.«
     
    Mittwoch, 3. Dezember 1980
    Timber Cove, El Lago, Houston
     
    Gregory Dana mußte sich regelrecht aus dem JSC freikämpfen.
    Dutzende von Reportern drängten sich am Tor und wollten bei den Lagebesprechungen der NASA anwesend sein. Der Parkplatz vor Gebäude 2, dem Büro für Öffentlichkeitsarbeit, war belegt.
    Es war schon stockfinster, als Dana endlich das Ranchhaus in der Lazywood Lane erreichte.
    Jim und Mary wohnten in einer schönen Gegend. Timber
    Cove war eine Siedlung, die in den Sechzigern ein paar
    Kilometer vom JSC entfernt angelegt worden war. Die
    properen Straßen waren mit individuell gestalteten
    Ranchhäusern gesäumt, die in den grünen Gärten wie
    Holzspielzeug wirkten. Das üppig sprießende Gras war mit Rauhreif überzogen, und die Kiefern auf den Rasenflächen hoben sich dunkelgrün, fast schwarz gegen die Straßenbeleuchtung ab.
    In der Gegend lebten fast nur NASA-Angehörige und deren
    Familien. Früher hatte Jim immer damit angegeben, daß kein Geringerer als Jim Lovell mit seiner Familie im Haus neben ihm gewohnt habe. Hier hatte Dana in glücklicheren Tagen mit Jake Baseball gespielt, Papierflieger für Klein Mary gefaltet und mit seinem Sohn die politischen und technischen Aspekte der Raumfahrt erörtert…
    Dana blieb noch für ein paar Minuten im Wagen sitzen. Mit einemmal fühlte er sich völlig kraftlos. Dann kurbelte er die Scheibe runter, und eine kühle Brise umfächelte sein Gesicht.
    Er hörte den Regen auf das Dach prasseln und das Klirren der Kette, mit der Jim sein Boot gesichert hatte.
    Er nahm die Brille ab und putzte sie mit seiner zerknitterten Krawatte.
    Noch heute abend würde Gregory nach Virginia zu Sylvia
    fliegen müssen und sie hierher bringen. Er hatte schon ein paarmal mit ihr telefoniert – im Kontrollzentrum hatte man ihm eine Leitung freigeschaltet –, wobei sie ziemlich gefaßt gewirkt hatte. Doch Dana vermochte sich nicht vorzustellen, wie sie reagieren würde, wenn sie direkt damit konfrontiert wurde.
    Und wie reagiere ich denn? Bin ich mir überhaupt des ganzen Ausmaßes der Sache bewußt? Mein Sohn, mein einziger Sohn ist vielleicht im Orbit gefangen, und sein Körper ist von Marshalls nuklearer Höllenmaschine verstrahlt. Es war eine Situation, sagte er sich, auf deren Bewältigung ein menschliches Herz einfach nicht programmiert war.
    Und unter dem ganzen Kummer fühlte er einen dumpfen
    Zorn, weil das alles nicht hätte sein müssen – es hatte keinerlei Veranlassung bestanden, Atomraketen zu bauen, um zum Mars zu fliegen.
    Er setzte sich wieder die Brille auf, stieß die Wagentür auf und stieg aus.
    Ein Adventskranz hing an Jims Haustür.
    Verwundert stellte er fest, daß es ihm körperliche
    Schwierigkeiten bereitete, die Auffahrt hinaufzugehen. Er schaute auf die in braunen Schuhen steckenden Füße, die sich scheinbar ohne sein Zutun auf dem Kiespfad hoben und

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