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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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die als ›Blinddarm‹ bezeichneten Gewebelagen, die mit Gummibändern fixiert waren. Als York die Bänder abstreifte, entfaltete das Material sich.
    Während der Außenanzug wie ein Ballon, aus dem man die
    Luft herausgelassen hatte, in sich zusammenfiel, widmete York sich nun der inneren Schicht aus einem luftdichten, elastischen Material.
    In dem engen Raum, die Kabinendecke ein paar Zentimeter
    vor der Nase, war sie kaum imstande, sich zu bewegen, und stieß laufend gegen Regler und Schalter. In der Kabine herrschte nun Chaos, wo die drei Körper sich wanden und
    abgelegte Ausrüstungsgegenstände herumflogen.
    »Es geht leichter, wenn ihr euch gegenseitig helft«, rief Wiktorenko fröhlich.
    »Verpiß dich«, sagte Gershon.
    Nachdem sie sich des Druckanzugs entledigt hatte, stand sie nun in der Thermo-Unterwäsche da und schickte sich an, die Überlebensausrüstung anzulegen: einen roten Pullover, eine Springerkombi, eine Jacke, eine dick gefütterte Hose, noch eine Jacke…
    »Das ist erbärmlich«, knurrte Wiktorenko. »Erbärmlich! Ihr müßt als Team arbeiten. Auf dem Mars, fünfundsechzig Millionen Kilometer von der Erde entfernt, gibt es nur eure Besatzung. Ihr müßt um Hilfe bitten, wie ein Kind seine Mutter um Hilfe bittet – instinktiv und selbstverständlich. Habt ihr verstanden? Und diese Hilfe muß selbstlos und unverzüglich gewährt werden. Sonst werdet ihr keinen Erfolg haben. Morgen muß das besser werden.«
    »Sie belieben zu scherzen«, sagte York barsch. »Wir sollen da noch mal durch?«
    Wiktorenko setzte den Vortrag fort, während er seine
    Ausrüstung anlegte. »Hören Sie zu. Die Ausbildung der
    Sowjets ist härter als Ihre, und ein paar Leute bei der NASA haben das bereits erkannt. Bei manchen unserer Übungen besteht keine Möglichkeit, Hilfe anzufordern. Es gibt keine Rettungsmannschaft. Weil es auf dem Mars auch keine gibt! Es hat schon alles seinen Sinn. Wenn man nämlich erkennt, daß eine Situation vielleicht gesundheitsschädlich oder gar lebensgefährlich ist, ändert die Lage sich. Mit einemmal muß man sich konzentrieren.
    Im Weltraum muß man den Mut und den Einfallsreichtum
    aufbringen, auch dann noch an der Lösung eines Problems zu arbeiten, wenn ein Durchschnittsmensch, der auf Rettung hofft, schon längst aufgegeben hätte. Und dieses Bewußtsein will ich bei euch wecken.«
    York war müde. Sie litt Schmerzen und war gereizt. Es gab wirklich eine Fraktion in der NASA, die den harten Ansatz der Sowjets befürwortete und hauptsächlich aus Luftwaffen-Veteranen bestand, die ohnehin der Ansicht waren, die NASA-Astronauten würden verhätschelt. Joe Muldoon zum Beispiel, Wiktorenkos alter Mondorbit-Kumpel. Genau, verhätschelt.
    Vor allem diese gottverdammten Bindestrich-Astronauten, die zum Mars fliegen wollen …
    »Aber dieses ganze Macho-Training hat Ben Priest und den anderen nichts genützt, stimmt’s?« sagte sie.
    Wiktorenko musterte sie. »Nein«, sagte er mit sanfterer
    Stimme. »Es hat Ben Priest nichts genützt.« Er zupfte an den Ärmeln des dicken Pullovers. »Hören Sie, Natalie. Es gibt ein altes russisches Märchen. Eine junge Frau namens Maruschka war berühmt für ihre wundervollen Stickereien. Die Kunde von ihr drang bis zu Kaschei dem Unsterblichen, einem bösen Zauberer. Er verliebte sich in sie und hielt um ihre Hand an.
    Doch sie wies ihn trotz seiner Zauberkräfte ab; sie war nämlich ein bescheidenes Mädchen und wollte in dem Dorf bleiben, wo sie geboren war.
    Der erzürnte Kaschei verzauberte sie in einen Feuervogel mit leuchtendem Gefieder und sich selbst in einen großen schwarzen Raubvogel. Der Raubvogel schlug die Klauen in
    den Feuervogel und flog mit ihm davon.
    Als Maruschka erkannte, daß sie sterben würde, stieß sie ihr Gefieder ab. Die Federn fielen auf das Land, das sie so liebte.
    Maruschka starb, aber ihre Federn hatten magische Kräfte.
    Sie blieben lebendig, aber nur für diejenigen, welche ihre Schönheit zu würdigen wußten und sie mit anderen teilten…
    So ist es auch mit dem Tod der Menschen. Der Tod eines
    Kosmonauten ist nie vergebens, Natalie York.«
    Die Kommandokapsel ruckte nun heftiger und pendelte um
    dreißig bis vierzig Grad durch. Wasser klatschte gurgelnd gegen die Hülle. York hatte einen Alptraum, daß die Kapsel sank und sie mitsamt der schweren Ausrüstung auf den Grund dieses lausigen kleinen Salzsees hinunterzog.
    Es ist so heiß hier drin. Das Blut schien sich im Kopf zu stauen; sie spürte das Pulsieren

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