Mission Ares
Kapitel Apollo-N abschließen und zu neuen Ufern aufbrechen, dürfen wir trotzdem nicht vergessen, daß die trockene technische Prosa des Berichts der Präsidialen Kommission die NASA-Verantwortlichen gravierender
Inkompetenz und grober Fahrlässigkeit bezichtigt…
Freitag, 27. Februar 1981
NASA-Hauptquartier, Washington
Joe Muldoon rief Fred Michaels in seinem Washingtoner Büro an. Dann flog er von Houston herüber. Kurz nach sieben war er da.
Michaels erhob sich nicht. Er bedeutete Muldoon, Platz zu nehmen. »Setzen Sie sich, Joe. Schön, Sie zu sehen. Möchten Sie einen Drink?«
Eine Karaffe und ein paar Gläser standen auf einer Ecke von Michaels’ Schreibtisch; Michaels schenkte Muldoon einen Dreifachen ein und reichte ihm das Glas. Es war ein guter Kentucky-Bourbon. Der nüchterne Büroraum war abgedunkelt, und die hellste Lichtquelle war das kleine Fernsehgerät in einer Ecke, das gerade die Nachrichten zeigte. Der Ton war leise gestellt.
Michaels schaukelte auf dem Stuhl und hatte die Füße auf die Ecke des repräsentativen Schreibtischs gelegt. Die mit einer Goldborte verzierte Weste stand offen, und im trüben Licht traten die tiefen Falten auf Michaels’ Gesicht um so deutlicher hervor, während er – auf die für ihn typische Art – darauf wartete, daß Muldoon sein Anliegen vorbrachte.
Nun berichtete Muldoon dem Leiter der NASA über die
Fortschritte, die er in seiner neuen Rolle als Leiter des Programm-Büros machte. »Bei den NERVA-Zulieferern ist es zugegangen wie auf einem Rummelplatz, Fred. Und diese Bastarde in Marshall haben ihnen das noch durchgehen
lassen.«
Michaels, der mit einem Auge aufs Fernsehgerät schaute,
zuckte die Achseln. »Das ist vielleicht ein bißchen hart, Joe.
Wir haben sie unter enormen Zeitdruck gesetzt. Vielleicht zu sehr.«
»Nein, daran liegt es nicht. In vielen Fällen handelt es sich schlicht um Schlamperei. Als ich zum Beispiel zum erstenmal die Testinstallation der S-NB bei Michoud inspizierte, stellte sich heraus, daß die Techniker zum Mittagessen ein paar Bierchen zischten. Das ist verflucht verantwortungslos, wenn man an Komponenten für die bemannte Raumfahrt arbeitet.
Und dann habe ich gesehen, wie so ein Kerl Flüssigsauerstoff aus einem Bodentank in einen Versorgungsturm pumpte. Ich fragte ihn, wohin er das Zeug denn schickte. ›Keinen Schimmer‹, sagte er. Die Charge wußte nicht, was mit dem Flüssigsauerstoff geschah, nachdem er aus der Düse des Schlauchs ausgetreten war. Und dann habe ich ihnen gesagt, daß jeder Ingenieur sich mit dem jeweiligen System vertraut machen solle – woher das Zeug kommt, wohin es geht und alle potentiellen Schwachpunkte dazwischen. Jeder muß sein System wie seine Westentasche kennen.
Dann habe ich eine Liste von dreißig Punkten erstellt – ich habe Ihnen eine Kopie mitgebracht –, die mir schon in der ersten Stunde gestunken haben. Nachlässige Handhabung des Materials, ungenaue Abgrenzung der Arbeitsbereiche, ineffiziente Arbeitsabläufe…
Sicher, wir stehen unter Zeitdruck. Wenn die Lieferanten aber so schlampig arbeiten, wundert es mich gar nicht, daß sie es nicht schaffen, die Zeitpläne einzuhalten. Und dann reduzieren sie noch die Qualitätskontrolle, um die Fristen einzuhalten, was bedeutet, daß die Ware zu spät geliefert wird und von lausiger Qualität ist.«
Michaels nickte und rieb sich das Doppelkinn. »Ja. Ich
verstehe. Sie leisten gute Arbeit, Joe. Ich habe mit Ihnen den richtigen Mann für diesen Job ausgesucht.«
»Fred, irgendwo haben wir einen Fehler gemacht. Bei Apollo hatten wir unter dem gleichen Druck gestanden. Nur daß die Sache damals reibungslos geflutscht hat. Doch nun ist Sand ins Getriebe geraten.«
Michaels grunzte und nippte an seinem Drink. »Schon
möglich. Aber damals hatten wir auch unter günstigeren
Vorzeichen gearbeitet. Ein klares Ziel, wohlwollende Politiker, auch wenn der Kongreß den Etat beschnitten hatte und – wie soll ich es ausdrücken? – eine Art von romantischer Aufbruchsstimmung. Es war noch ein großes Abenteuer, Joe, bei dem es jedes Jahr etwas zu entdecken gab. Und wir standen höllisch unter Zeitdruck, weil wir befürchteten, daß die Russen uns überholen würden.
Doch heute«, sinnierte er, »ist es anders. Die Lage hat sich geändert. Obwohl nach wie vor die Perspektive besteht, zum Mars zu fliegen, krebsen wir schon seit einem Jahrzehnt im Erdorbit ‘mm. Und was haben wir vorzuweisen, außer ein paar zu Raumlabors
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