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Mission Ares

Mission Ares

Titel: Mission Ares Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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das vom Bewerber eingesetzte Personal, die Expertise des Anbieters in den relevanten Bereichen und so weiter gewichtet werden. Bei der Ausschreibung eines Großauftrags war die Aufforderung zur Angebotsabgabe an
    sich schon ein Teil des Projekts.
    Das Dokument, das JK Lee nun in Händen hielt – nicht sehr aussagefähig, schlecht fotokopiert, teilweise mit handschriftlichen Einträgen nachgebessert – war miserabel.
    Er bestellte Jack Morgan zu sich.
    Lee knallte Morgan die Aufforderung zur Angebotsabgabe
    auf den Tisch. »Sehen Sie sich das an.«
    Jack Morgan war ein stämmiger Mann mit grauem Haar und
    Händen wie Klodeckeln. Er nahm auf der anderen Seite von Lees wuchtigem Stahlschreibtisch Platz.
    Nachdem er die Aufforderung zur Angebotsabgabe flüchtig
    durchgesehen hatte, warf Morgan die Unterlagen wieder auf Lees Schreibtisch.
    »Und was halten Sie davon?« fragte Lee.
    »Ich würde mir nicht mal den Arsch damit abwischen. So
    eine schludrige und stümperhafte Arbeit ist mir noch nicht untergekommen.«
    »Klarer Fall.« Morgan hatte natürlich recht. Die Vorgaben für das Gewicht des MEM waren außerordentlich strikt, und der mit Blick auf den für 1985 vorgesehenen Start gesteckte Kosten-und Zeitrahmen war so eng, daß er kaum einzuhalten war. Die NASA hatte bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe offensichtlich unter enormem Druck
    gestanden und versucht, ein Programm für die Mars-Mission zusammenzuschustern, während sie noch mitten in der Untersuchung der Apollo-N-Havarie steckte.
    »Ich stimme Ihnen zu«, sagte Lee. »Diese Aufforderung zur Angebotsabgabe ist eine Zumutung. Ich wundere mich nur, daß sie das überhaupt so rausgegeben haben. Trotzdem…«
    »Trotzdem was? JK – Sie spielen doch nicht etwa mit dem Gedanken, mitzubieten?«
    Lee lehnte sich zurück und legte die Füße auf den
    Schreibtisch. »Wieso nicht?«
    »Weil wir den Auftrag eh nicht bekommen würden. Weil es
    rausgeschmissenes Geld wäre. Ich weiß nicht mal, weshalb man uns dieses Elaborat überhaupt zugeschickt hat.«
    Lee glaubte es aber zu wissen.
    Zufällig wußte er nämlich, daß Ralph Gershon in dem
    NASA-Gremium saß, das die Angebote auswertete. Seit sie
    sich damals bei der Zusammenkunft der Technischen
    Kontaktgruppe in Rockwells ›Ziegelei‹ kennengelernt hatten, wo Lee einen Astronauten-Novizen zusammengeschissen hatte, weil das MEM wie eine Apollo-Kapsel aussah und seit sie den Ausflug in die Mojave-Wüste unternommen hatten, waren er und Gershon in Verbindung geblieben.
    Er sagte sich, daß er Gershon für diese Aufforderung zur Angebotsabgabe wohl noch dankbar sein mußte.
    »Wie dem auch sei«, sagte Morgan, »Rockwell wird den
    Zuschlag für das MEM erhalten; das weiß doch jeder.«
    »Ja, aber angenommen.«
    »Was?«
    »Ich weiß nicht. Nur einmal angenommen.«
    »Noch ein kleines Detail«, sagte Morgan. »Wir wären nicht imstande, das Ding zu bauen, selbst wenn wir den Auftrag bekämen.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil wir auf Flugzeugzellen und Avionik spezialisiert sind.
    Das würde uns als Zulieferer qualifizieren. Wenn man sich aber um den Auftrag für den Bau eines Raumschiffs bewirbt, um Himmels willen, muß man sich überall auskennen: Tanks, Triebwerke, Navigations-und Flugführungssysteme, Lenkungscomputer, Hitzeschilde, Lebenserhaltungssysteme…«
    Darauf hatte Lee nur gewartet. »Lebenserhaltungssysteme
    sind kein Problem.«
    »Quatsch, JK«, sagte Morgan. »Wenn Sie glauben, ich würde wegen einer solch hanebüchenen Aktion bei Art Cane meine Haut zu Markte tragen, sind Sie schief gewickelt.« Er stand auf, nahm die Aufforderung zur Angebotsabgabe und warf sie in Lees Papierkorb. »Wenn Sie noch halbwegs bei Verstand sind, lassen Sie es dort liegen.«
    »Ja. Werde ich. Danke, Jack.«
    Nachdem Morgan gegangen war, lehnte Lee sich im
    Drehstuhl zurück, brachte die Füße auf dem Schreibtisch in eine noch bequemere Position und zündete sich eine Zigarette an. Der wuchtige, schlachtschiffgraue Stahlschreibtisch war JKs Markenzeichen; er war ein Geschenk von dem Team, mit dem er damals am B-70-Projekt gearbeitet hatte. Das Möbel hatte ihn seitdem überallhin begleitet.
    Er dachte über Jack Morgan nach.
    Morgan war im Korea-Krieg Flugarzt bei der Luftwaffe
    gewesen und war dann sozusagen in die Raumfahrtmedizin
    hineingeschlittert. Nach dem Krieg hatte er für Rockwell –
    damals noch North American – gearbeitet und einen Piloten behandelt, der aus einer F-100, einem experimentellen

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