Mission Ares
stand die Erde direkt über mir, und im Raumanzug fiel es mir schwer, den Kopf zurückzulegen.
Das Sonnenlicht war sehr hell, und der Boden unter dem
schwarzen Himmel war hellbraun. Ich hatte das Gefühl, an einem Strand zu stehen. Ich erinnere mich, wie Neil dort herumhopste. Er sah aus wie ein Strandball in Menschengestalt, der über den Sand sprang. Weil die Farben auf dem Mond ziemlich blaß sind, brachte die Eagle, die wie ein kleines, zerbrechliches Haus aussah, richtig Farbe auf den Mond: Schwarz, Silber, Orange und Gelb…‹
Er verstummte und lauschte dem Prasseln des Regens auf
dem Holzdach der Schule, schaute auf die runden Gesichter der Kinder, die mit untergeschlagenen Beinen vor ihm auf dem Boden saßen, und sah das skeptische Stirnrunzeln der Lehrerin.
Die paar Stunden, die er auf dem Mond herumspaziert war, standen mit der Präsenz einer Eagle in den Weiten seines Bewußtseins. Doch durch die Reden, die er nach der Rückkehr zur Erde auf den endlosen Vortragsreisen gehalten hatte, waren die Konturen der zugrunde liegenden Erinnerungen verschwommen. Inzwischen wirkte die Episode durch die ständigen Wiederholungen trivial.
Nun bin ich weit vom Mond entfernt. Und bei all diesen verdammten Einsparungen werde ich wohl nie mehr dorthin zurückkehren. Mir bleiben nur noch die Erzählungen. Verflixt und zugenäht.
Als er fertig war, hatten die nepalesischen Schulkinder ihm Fragen gestellt. Diese Fragen waren Muldoon eigenartig erschienen.
›Wen hast du gesehen?‹
›Wo denn?‹
›Auf dem Mond. Wen hast du gesehen?‹
›Niemanden. Es gibt dort niemanden.‹
›Aber was hast du gesehen?‹
Dann dämmerte es Muldoon. Vielleicht entsprachen die
amerikanischen Klischees von Strandbällen und Sand nicht der Mentalität und dem Wissensstand dieser Kinder. Er mußte sich verständlicher ausdrücken. ›Es gibt dort nichts. Keine Menschen, weder Pflanzen noch Bäume, auch keine Tiere.
Nicht einmal Luft oder Wind. Nichts.‹
Die Kinder schauten sich in offensichtlicher Verwirrung an.
Muldoon und die Kinder redeten einfach aneinander vorbei.
Auf ein Signal der Lehrerin hin – selbst noch ein halbes Kind
– spendeten sie ihm höflichen Beifall, und er verteilte
amerikanische Fähnchen und Bilder von der Landezone.
Als er das Schulhaus verließ, hörte er die Lehrerin noch sagen: ›Hört nicht auf ihn. Er irrt sich…‹
Im Hotelzimmer soff er systematisch die Minibar leer.
Später erfuhr er, daß die Nepalesen glaubten, nach dem Tod käme man auf den Mond. Die Kinder hatten geglaubt, die Seelen ihrer Vorfahren und Großeltern lebten auf dem Mond.
Also hätte Muldoon sie auch sehen müssen, wo er schon
einmal dort war. Und er hatte ihnen erzählt, es gebe keinen Himmel. Kein Wunder, daß die Kleinen verwirrt waren.
Er hatte einen Spaziergang auf dem Mond gemacht. Und nun war er, in diesem Winkel der Erde, mit einem Haufen Kinder in einem Schuppen konfrontiert worden, denen man noch immer – ungeachtet seiner Präsenz auf dem Mond, ungeachtet seiner Augenzeugenberichte vom Mond – Aberglauben einimpfte.
Das ganze verdammte Unternehmen kam ihm so sinnlos vor.
Bevor er heute als Capcom den Dienst am JSC angetreten
hatte, war ein Brief in der Post gewesen. Man bot ihm einen Vertrag für eine Kreditkarten-Werbung an. Kennen Sie mich?
Letztes Jahr habe ich einen Spaziergang auf dem Mond gemacht. Leider hilft mir das nicht bei der Platzreservierung im Flugzeug… Gottverdammter Müll.
Damit würde er fünfmal soviel verdienen wie bisher.
Allerdings müßte er dafür aus der NASA ausscheiden.
Jill würde das sicher begrüßen. Jill war nicht so wie andere Frauen. Sie hatte keine Ahnung von militärischen Gepflogenheiten; Jill hatte keine Ahnung von den Flügen, den Gefahren und dem Dünnschiß, den die NASA während einer Mission verzapfte…
Und Tatsache war, daß die NASA ihn nie wieder zum Mond
schicken würde.
Weshalb sollte er also nicht ausscheiden?
Vielleicht würde der Nimbus des Mond-Spaziergängers
verblassen; vielleicht würde er den Heldenstatus verlieren. Der Meinungsumschwung zuungunsten des Programms hatte sich ohnehin noch verstärkt. Die Presse übte sogar Kritik an seinem und Armstrongs Verhalten auf dem Mond. Sie hätten sich zu lange mit dem zeremoniellen Teil aufgehalten. Sie hätten weniger Steine gesammelt als erwartet. Die meisten Proben seien nicht ordentlich dokumentiert worden. Sie hätten die Fußabdrücke mit der falschen Kamera abgelichtet und
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