Mission Ares
Mondorbit, permanente wissenschaftliche Stationen auf der Oberfläche, als Fortsetzung der ersten zaghaften Schritte von Apollo. Und dann wurden die Ziele der NASA über den Mond hinaus dargelegt: die erste bemannte Mars-Mission, Umkreisungen der Venus – und bemannte Flüge zu den Asteroiden und den Jupiter-Monden.
Es war ein Bewerbungsbogen für einen Astronauten.
Erst hatte sie den Zettel schon wegwerfen wollen. Sie war zutiefst enttäuscht von diesem Müll: typische NASA-Träumereien, die ein unbegrenztes Budget und politische Unterstützung voraussetzten. Und dafür sollte sie ihre Karriere opfern und ein Jahrzehnt ihres Lebens wegwerfen? Schließlich war nichts an diesem erstaunlichen Programm real …
Nichts davon. Außer vielleicht dem Mars.
Die Probleme waren hinlänglich bekannt: Mikes NERVA—
Programm lag Jahre hinter dem Zeitplan zurück, es waren
Verzögerungen in der Entwicklung des neuen Saturn—
Zusatztriebwerks eingetreten, und das Projekt der
Marslandekapsel war unterfinanziert und hatte immer noch keine klare Zielsetzung… und so weiter. Am Ende, falls der NASA überhaupt ein Erfolg beschieden war, würde der Flug zum Mars wahrscheinlich so ablaufen wie der Flug zum Mond: nicht im Rahmen einer langfristigen, integrierten Strategie der Erforschung des Sonnensystems, wie dieses Flugblatt suggerierte, sondern als riskante, singuläre Aktion. Eine andere Arbeitsweise schien angesichts der Organisationsstruktur der NASA auch nicht möglich.
Dennoch waren Fortschritte zu verzeichnen, und die
Finanzierung schien zumindest mittelfristig gesichert. Jimmy Carters Einstellung zur Raumfahrt mußte sich erst noch erweisen, aber Ben hatte ihr gesagt, Fred Michaels, der NASA-Direktor, hätte sein Gewicht hinter Ted Kennedy als Vizepräsident in die Waagschale geworfen und ihm geholfen, die Nominierung gegen Walter Mondale zu sichern – der sich schon seit den sechziger Jahren als Kritiker des Raumfahrtprogramms profiliert hatte. Carter und Kennedy
galten nun als klare Favoriten für die Wahlen im November.
Und dann würden die Dinge besser stehen für Michaels, mit seinen Verbindungen zu den Demokraten und den Verbündeten unter den Kennedys inner-und außerhalb des Weißen Hauses…
Die NASA, so schien es, war noch immer auf Kurs zum
Mars.
Sie hatte am Abend mit Mike darüber reden wollen.
Irgendwie war das Thema aber nicht zur Sprache gekommen.
Sie legte den Handzettel wieder in die Schublade.
Mike neben ihr bewegte sich, wachte aber nicht auf. Er war ihr zugewandt; dunkles Haar rahmte sein Gesicht. Er schlief wie ein Kind, sagte sie sich: auf dem Bauch, die Arme um den Kopf und das Gesicht auf der Seite. Im Schlaf war die Anspannung aus dem Gesicht gewichen, und er sah nun etliche Jahre jünger aus als vierunddreißig.
Sie hatte Mike in den letzten Monaten kaum gesehen. Er
erstickte förmlich in Arbeit. In ein paar Monaten würde
NERVA 2 die Phase A-Entwicklung abgeschlossen haben und
sich einer Projektprüfung unterziehen müssen. Dann würde Phase B – Produktion und Operation – anlaufen. Die ersten unbemannten Probeflüge waren für 1978 vorgesehen, und die vorläufige Musterzulassung – die nach dem ersten bemannten Flug erteilt wurde – sollte bis Mitte 1979 vorliegen.
Doch Mikes Leuten war es noch immer nicht gelungen, dem
neuen Triebwerk eine dokumentierte Brenndauer von mehr als ein paar Sekunden zu entlocken.
Mike machte das sehr zu schaffen. Er hatte nun schon seit Wochen fünfzehn bis achtzehn Stunden am Tag gearbeitet. Er war hager geworden, die Augen lagen tief in den Höhlen und waren dunkel gerändert; seine Kleidung und seine Frisur waren unordentlich. Sie wußte nicht, ob das seine persönliche Befindlichkeit widerspiegelte oder den Umstand, daß viele der Probleme bei den Kühlsystemen auftraten, für die er verantwortlich war.
Weil sie noch immer keinen Schlaf fand, schaltete sie das Fernsehgerät ein.
Eine Folge von Star Trek flimmerte über den Bildschirm. Die Warp-Triebwerke hatten mal wieder einen Defekt, und Mr.
Scott kroch mit einem Schraubenschlüssel durch eine Art
Glasröhre.
»Wenn es so einfach wäre«, nuschelte Mike. Er hatte den
Kopf gehoben und schielte verschlafen auf das Fernsehgerät.
»Ich wollte dich nicht aufwecken, Scotty.«
Er griff nach einer Zigarette. »Möchtest du etwas zu
trinken?«
»Nein. Ich glaube, der Brandy hält mich wach.« Der Geruch von kaltem Rauch stieg ihr in die Nase; er erinnerte sie an ihre Mutter. »Es
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