Mission Ares
York sah die dort unten glühende Straßenbeleuchtung, ordentliche rechteckige Blöcke aus Lichtern, mit denen der Boden und die Wände des Tals gepflastert waren.
Mike fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit und sprach kein Wort mit ihr.
Das Testgelände befand sich in einer geröllübersäten Senke in den Santa Susana-Bergen. Als Mike das Fahrzeug zum Stehen brachte, spürte York einen kalten Lufthauch.
Sie ging mit Mike zum Zentrum der Anlage.
Es stand kein Stern am Himmel, obwohl der Mond längst
untergegangen war.
Santa Susana wurde im Auftrag der NASA von Rockwell
International betrieben. Die Anlage war im Rahmen des
Entwicklungsprogramms für die alte S-II, die zweite Stufe der Saturn V, errichtet worden. Dennoch wurden die Arbeiten an der S-II fortgeführt. Die Anlage wimmelte von Technikern – manche in Asbest-oder Strahlenschutz-Anzügen –, die auf dem Meßplatz umherliefen. Sie wirkten wie plumpe Insekten.
Das NERVA 2-Triebwerk stand kopfüber im Herzen der
Anlage und war mit einem Maschendrahtzaun gesichert. Im
Schein starker Flutlichter ragte der Triebwerkstrichter gen Himmel.
Als sie sich der Umzäunung näherten, kamen Techniker auf Conlig zu. Mike rang sich einen letzten, um Entschuldigung heischenden Blick auf York ab und verschwand.
Sie schritt die Umzäunung ab.
»Hallo. Sie sehen so aus, als ob Sie das brauchen würden.«
Sie drehte sich um. Ein Mann befand sich neben ihr und
grinste sie an. Er war groß, hatte einen blassen Teint und blondes Haar. Bekleidet war er mit einem schmutzigen Overall.
Er hatte zwei Plastiktassen mit einer bräunlichen Flüssigkeit in den Händen. »Das soll Kaffee sein«, sagte er, »aber ohne vorherige Analyse möchte ich mich da nicht festlegen.«
»Kennen wir uns?«
»Denk schon. Adam Bleeker. Vor ein paar Jahren haben wir eine Exkursion in die San Gabriel-Berge unternommen.«
»Oh.« Der Kalte Krieger-Astronaut. »Mit Ben und Charles
Jones. Das war vielleicht ein Reinfall.«
»Ach, das würde ich nicht sagen. Sie haben gute Arbeit
geleistet. Übrigens nennt jeder ihn Chuck.«
»Wie auch immer.«
Dankbar nahm sie den Kaffee und nippte daran. Er war warm, hatte aber fast kein Aroma.
Bleeker erzählte ihr, er sei der NASA-Repräsentant bei
diesem Projekt. Den gleichen Posten hatte Ben Priest vor ein paar Jahren innegehabt.
»Das ist aber eine ungewöhnliche Tageszeit für einen
Triebwerkstest«, bemerkte York.
»Schon, aber wir sind so weit hinter dem Zeitplan zurück.
Jede Stunde zählt.«
»Erzählen Sie mir davon. Ich bin mit Mike hergekommen.
Kennen Sie ihn?… Mike Conlig…«
»Sicher.«
»Nachdem der Anruf gekommen war, hat ihn nichts mehr
gehalten.«
Langsam gingen sie das Testgelände ab. Überall standen
Techniker, in Fachgespräche vertieft. Die in der Luft liegende Spannung und Niedergeschlagenheit war fast mit Händen zu greifen – Mikes Stimmung potenziert.
Der Kontrast zu Jackass Flats – zur Begeisterung, die Mike dort an den Tag gelegt hatte – war frappierend.
Inmitten des ganzen Szenarios stand das NERVA 2-Triebwerk aufrecht und stumm hinter der Sicherheitsabsperrung. Dieses Triebwerk, so hatte Mike ihr gesagt, war das ›integrierte Subsystem-Testbett-Triebwerk‹; es handelte sich um einen kompletten, mehr oder weniger einsatzbereiten Motor, aber er war in diesem Gerüst gefangen.
Und wenn er gezündet wurde, würde er sich höchstens in die Erde bohren.
Ein Blick auf das Gerüst sagte York, daß es noch Jahre
dauern würde, bis NERVA einsatzbereit und in der Lage war, die versprochenen hundert Tonnen interplanetare Schubkraft zu entwickeln.
Die nach oben weisende Düse saß auf einem kurzen, dicken Zylinder, und die beiden kleineren Trichter wuchsen aus den Seiten des Zylinders. Der Zylinder war der Druckmantel, der den radioaktiven Kern enthielt, und die kleinen, kardanisch aufgehängten Düsen dienten der Lage-und Bahnregelung. Sie sah die ringförmig angeordneten, konischen Servomotoren an der Grundfläche des Triebwerks. Die Servomotoren betätigten die Steuertrommel, die wiederum den Reaktor moderierte. Ein großer, sphärischer Wasserstofftank war in der Nähe des Triebwerks angebracht. Von ihm gingen Röhren aus, die sich um Druckhülle und Düse wanden. Dampfschwaden entwichen aus dem Tank, und die Metallwandung war mit einer
Eisschicht überzogen.
Adam Bleeker skizzierte die Funktionsweise des Antriebs.
»Flüssigwasserstoff dient sowohl als Brennstoff als auch als Kühlmittel – das
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