Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
ich gerade meine ersten Schritte als Schauspielerin machte. Ich habe ständig ›werry‹ statt ›very‹ gesagt. ›Mit deinen werrys werde ich wahrlich wahnsinnig!‹, hat mein alter Schauspiellehrer geschimpft.« Sie legte Octavia eine Hand auf die Schulter und zupfte mit der anderen eine ihrer Locken zurecht. »Du schlägst dich außerordentlich gut.«
»Danke«, sagte Octavia und schob hinterher: » Off with my head! Schlagt mir den Kopf ab!«
»Perfekt! Ganz ausgezeichnet!«
Im Laufe der vergangenen Wochen auf der Rome war Octavia bewusst geworden, dass sie Mrs Finchleys Gesellschaft aufrichtig genoss. Sie hatte nie so etwas wie eine Mutter kennengelernt, nur die Leiterin des Waisenhauses, nach deren Meinung man Lektionen am besten mit dem Rohrstock erteilte. Mrs Finchley dagegen überraschte sie sogar mit Geschenken! Bei einem Zwischenstopp in Malta hatte sie Octavia ins Schlepptau genommen und war mit ihr auf die Suche nach Spitze und Stoffen gegangen, um neue Kleider für sie zu nähen.
»Eine schöne junge Frau wie du benötigt jeden Tag ein anderes Kleid«, hatte Mrs Finchley erklärt.
Dass Mrs Finchley sie geradeheraus als schön bezeichnete, ließ Octavia erröten. Sie kehrten mit einem Überseekoffer voller Einkäufe aufs Schiff zurück, und Tag für Tag nähte Mrs Finchley nun etwas Neues für Octavia. Korsetts, Unterröcke, Handschuhe … alles saß wie angegossen.
»Es geht auf den Abend zu, Octavia. Es ist an der Zeit, dich für das Abendessen umzuziehen«, sagte Mrs Finchley zum Beispiel. »Welches Kleid soll es sein? Das grüne? Das rote? Das violette?«
»Violett!«, rief Octavia, und Mrs Finchley half ihr, die Robe mit der ausladenden Turnüre anzulegen.
Schon die umfangreiche Garderobe, die für sie an Bord gebracht worden war, hatte Octavia verblüfft: Es gab Kleider für den Nachmittag und die Mahlzeiten, Abendkleider und Ballroben. Ja, sie hatte sogar extra ein schwarz-grünes Kleid für die Sonntagsmesse. Der Gottesdienst war eine neue Erfahrung für sie, aber Mrs Finchley hatte sie darauf vorbereitet, und so sank sie im richtigen Augenblick auf die Knie oder stand wieder auf, und auch das Vaterunser konnte sie aufsagen.
Oft nahm sie an den abendlichen Gesangsrunden teil, zu denen sie jedes Mal ihren Hut mit den schönsten Federn trug. Die Passagiere der ersten Klasse versammelten sich zu diesem Anlass auf dem Poopdeck und gaben Lieder zum Besten, als kleine Aufmerksamkeit für die Passagiere der zweiten Klasse, die sich auf den unteren Decks befanden. Mrs Finchley hatte mit Octavia geübt, bis sie mit glockenreiner Stimme sang. Zwei Lieutenants und sogar der Kapitän hatten ihr wegen des schönen Klangs Komplimente gemacht. Sie liebte das Lied Dream-Pedlary, in dem ein Hausierer von Träumen besungen wurde. Sie malte sich aus, was sie wohl bei ihm kaufen würde. Mehr Kleider? Nein, in ihrem Lieblingstagtraum kaufte sie eine Insel und trug nur noch Hosen. Damit konnte sie so viel schneller laufen.
Allerdings musste sie zugeben, dass sie die Blicke, die sie in ihren Kleidern von manchen Offizieren erntete, durchaus genoss.
Überrascht stellte Octavia bei den Liederabenden fest, dass Modo mit einem angenehmen, wohltönenden Bariton sang. Es musste sein mächtiger Brustkorb sein, der seiner Stimme ein solches Volumen verlieh. Sie konnte nicht genau sagen, warum sie so wenig Zeit mit Modo verbrachte. Natürlich sah sie ihn beim Frühstück und Abendessen, aber ihre Gespräche drehten sich dann um das Wetter oder um irgendeine Sehenswürdigkeit an der Küste, die das Schiff gerade passierte. Es war ihr dritter gemeinsamer Einsatz, und mit einem Mal kam es Octavia so vor, als würde sie ihn überhaupt nicht kennen. Sie musste oft an den Streich denken, den ihr Modo und Mr Socrates gespielt hatten, indem sie Modo für einen Arzt ausgaben. Es machte sie wütend, dass sie nicht gleich bemerkt hatte, dass er es war. Wen kannte sie besser als Modo? Und trotzdem konnte er ihr als ein Fremder am Tisch gegenübersitzen. Das Gesicht, das sie an ihm kannte, sah aber auch so ganz anders aus, aber war ebenfalls sehr attraktiv! In wie viele unterschiedliche Erscheinungsbilder konnte er wohl schlüpfen? Sie sehnte sich danach, sein richtiges Gesicht zu sehen, egal wie es aussah!
»Haben Sie Modo tatsächlich großgezogen?«, fragte sie Mrs Finchley.
Ihre Lehrerin lächelte, aber es lag Traurigkeit in diesem Lächeln. »Ja. Ich kenne Modo, seit er ein kleines Kind war.«
»Wie …
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