Mission Clockwork, Band 3: Mission Clockwork, Duell in der Ruinenstadt
aus der Wunde.
Modo spürte ein Zupfen am Ärmel, und Nulu nahm ihn bei seiner unverletzten Hand. Den umstehenden Kriegern entfuhr ein ungläubiges Zischen. Wahrscheinlich hatten sie erwartet, Nulu würde sich in Luft auflösen oder explodieren, stattdessen zog das Mädchen Modo sanft hinter sich her durch die Gruppe und führte ihn weiter. Die Männer folgten mit einigen Schritten Abstand. Nulu steuerte einen Pfad inmitten des Dickichts an.
»Bringst du mich zum Tempel?«, fragte Modo, während er sich unter einer Schlingpflanze hindurchduckte.
Sie nickte, und so marschierten sie einige Minuten lang schweigend. Verblüfft stellte Modo fest, dass Nulus Haar von Natur aus weiß und nicht gefärbt war, als hätte sie bei ihrer Geburt etwas Grauenhaftes gesehen. Die Kleine bewegte sich mit einem Selbstvertrauen, um das er sie beneidete. Man hätte meinen können, sie würde jeden Tag einem Fremden wie ihm begegnen.
Im Gestrüpp vor ihnen raschelte es, und Modo war versucht, nach seinem Messer zu greifen. Doch dann tauchten lediglich drei Mädchen und zwei Jungen zwischen den Büschen auf. Sie schlossen sich den beiden an und marschierten wie bei einer Parade hinter ihnen her.
Vielleicht habe ich eine Gehirnerschütterung? Träume ich das alles nur? Modo ging weiter, spürte Nulus warme Hand in seiner. Schon lange hatte niemand mehr so lange seine Hand gehalten, eigentlich überhaupt nur Mrs Finchley, als er noch ein Kind war. Er warf einen Blick über die Schulter. Die Krieger schienen wieder Mut gefasst zu haben und trugen selbstbewusst ihre Speere. Allerdings vermieden sie Augenkontakt mit ihm. Alle schwiegen, nur gelegentlich pfiff Nulu eine fremdartige Melodie.
Das Mädchen führte ihn einen Hang hinauf, wobei sie im Slalom die Stämme einiger mächtiger Palmen umgehen mussten, und mit einem Mal lag das Dorf des Stammes vor ihnen: eine kleine Lichtung mit einigen ausgetretenen Pfaden und zehn runden Hütten aus Bananenblättern und Palmwedeln, groß genug, um jeweils ein paar Menschen zu beherbergen.
Die Kinder hinter ihnen stießen einen Schrei aus und verschwanden so schnell in den Büschen, dass Modo im ersten Augenblick dachte, etwas hätte sie erschreckt. Er schaute sich abermals nach den Kriegern um – und die wandten wieder den Blick ab. Modo konnte keine drohende Gefahr erkennen. Plötzlich begriff er, dass die Kinder nur vorausgestürmt waren, um seine Ankunft zu verkünden. Sie rannten in die Mitte der kleinen Siedlung und veranstalteten ein großes Geschrei. Als die Gruppe dann das Dorf erreichte, kamen Greise, Frauen jeden Alters, Schwangere mit dicken Bäuchen und noch mehr Kinder an der Feuerstelle in der Mitte der Siedlung zusammen und starrten ihm entgegen.
Ein imposanter Mann mit rundem Bauch, der in ein Tierfell gehüllt war, trat humpelnd aus einer Hütte. Sein Bart war grau, und das weiße Haar stand in alle Richtungen vom Kopf ab. In einer Hand trug er eine Keule, und um den Hals hing eine Art hölzerner Brustpanzer. Auf einem Auge war er blind, wie die milchig-trübe Farbe verriet, das andere Auge hatte er entgeistert aufgerissen. Nulu führte Modo geradewegs zu ihm.
»Ngaji«, sagte sie, »jiri-warra.« Sie hielt dem Alten Modos Hand hin, der zögernd danach griff.
Die Hand des Mannes fühlte sich warm an, die Finger waren rau. Er zitterte sichtlich. Ob aufgrund seines hohen Alters oder aus Furcht, konnte Modo nicht sagen. Er war ein Anführer, vermutete Modo, ein Schamane, das Stammesoberhaupt oder Ähnliches. Er fragte sich, ob es wohl Aufzeichnungen über diese Dorfgemeinschaft gab. Der Alte starrte ihn mit seinem gesunden Auge an. Das Gesicht kam Modo irgendwie bekannt vor. Dann wurde ihm klar, dass er Nulus Großvater sein musste.
»Moh-Doh«, sagte Nulu und deutete auf Modo. Dann deutete sie auf den alten Mann und sagte langsam und deutlich: »Runyuji.«
Modo verbeugte sich leicht. »Guten Tag Run-Yu-Dschie, ich freue mich, Sie kennenzulernen.«
Der Mann schauderte erneut, so als ginge jede neue Offenbarung fast schon über seine Kräfte. Doch er hielt Modos Hand weiterhin fest umfasst. Alle, selbst die Krieger, schauten Modo jetzt direkt an. Noch nie waren so viele Augenpaare gleichzeitig auf ihn gerichtet gewesen. Den Leuten schien der Anblick keine Angst zu machen, ja, er hätte schwören können, dass sie ihn betrachten wollten.
Urplötzlich begann Modo zu schluchzen.
N ulu hatte nicht gewusst, das Götter weinen konnten. Sie blickte zu dem, der vom Himmel
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